Um den längsten Tag des Jahres herum, kurz bevor der New Yorker Sommer am heißesten ist, sind auf Coney Island die Meergeister los: Die „Mermaid Parade“ kommt. Auf der Halbinsel im Süden des Stadtteils Brooklyn fallen Tausende von Seejungfrauen und Neptunen ein, angetan mit Fischhaut, Muscheln bis Körbchengröße E und Seemannsgarn. Sie feiern den Beginn der Badesaison – in ihrem Schlepptau rund eine halbe Million Zuschauer.
Ozeanisches Miteinander seit 35 Jahren
Zum ozeanischen Verständnis der Organisatoren, der Künstlergruppe „Coney Island USA“, gehören Drag Queens – als Frauen aufgemachte Männer – in Gold ebenso dazu wie dreieinhalb Meter hohe Hummer und Matrosen, die Kerle lieben. „Wirklich alle kommen: vom Szenekünstler über Lesben und Hip-Hop-Teenager bis zu russischen und jamaikanischen Immigranten“, zählte der Paradensprecher und -erfinder Dick Zigun auf. Das hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht verändert. In diesem Jahr sind die Parade-Teilnehmer zum 35. Mal am Start.
Die wildesten Kostüme bewertet anschließend eine zufällig besetzte Jury. Wer 100 Dollar zahlt, sucht mit aus, sagt Paradengründer Dick Zigun.
In den fünfziger Jahren, der großen Zeit Coney Islands als Vergnügungsviertel für New Yorker Arbeiter und Neu-Immigranten, gab es fast jeden Tag einen anderen Aufzug: die Parade der Polizisten und – getrennt davon – der Feuerwehrmänner ebenso wie die „Baby Parade“, zu der die Kleinsten im Bollerwagen über den Boardwalk geschoben wurden.
Punkrocker Iggy Pop war König Neptun mit Dreizack
Ihren Underground-Charme hat die „Mermaid Parade“, die zum ersten Mal 1983 mit 200 Teilnehmern und einigen verwunderten Passanten als Zuschauern stattfand, bis heute behalten. Dick Zigun, der tätowierte Performance-Künstler, offizieller Standesbeamter des Staats New York und spiritus rector zahlreicher Burlesque-Shows, hält das Zepter des Umzugs seit 1980 in der Hand, getreu dem Credo der veranstaltenden (See-) Graswurzelaktivisten: „ozeanisch denken, lokal handeln“.
Dem Gang durch die Gemeinde folgt das Ritual am Stadtstrand: Während eine haitianische Voodoo-Band spielt, landen Früchte als Opfer im Ozean (und werden von Kindern schnell wieder eingesammelt). Dann ein Schnitt durchs lange Band am Strand, und die Badesaison ist eröffnet. Die wildesten Kostüme bewertet anschließend eine zufällig besetzte Jury. „Wer 100 Dollar zahlt, sucht mit aus“, verspricht Zigun – mit hochkarätigem Vorsitz.
Im Jahr 2000 führte Punkrocker Iggy Pop als König Neptun den Dreizack, im Jahr zuvor war es die Rapperin Queen Latifah. 2009 trat Schauspieler Harvey Keitel als König Neptun auf. Und in diesem Jahr sind die Hoheiten Deborah Harry und Jim Stein, ihres Zeichens die lebenden Konstanten der New Yorker Band Blondie, die es ungefähr ebenso lange gibt wie die Mermaid Parade.
Die nächste Mermaid Parade findet am 17. Juni 2017 um 13 Uhr statt. Treffpunkt ist die Surf Avenue, Ecke West 21st Street.
Das gesamte Festprogramm
coneyisland.com/mermaid-parade