Schwammen zu Urzeiten Forellen um den Nordpol? Ein deutscher Forschungsverbund hat jetzt herausgefunden, dass der Arktische Ozean in den vergangenen 150.000 Jahren zeitweilig aus Süßwasser bestand. Das kommt einer Sensation gleich, ähnlich der Erkenntnis, dass in einem früheren Erdzeitalter die Antarktis von Dschungel bedeckt war.
Falls darin Lebewesen existierten, müssten sie im Dunkeln existiert haben – und unter einem gewissen Druck: Auf diesem riesigen See ruhte ein Deckel aus rund 900 Meter dickem Schelfeis. Das Phänomen ereignete sich mindestens zweimal. Es währte jeweils mehrere tausend Jahre, fand ein Forscherteam des Alfred-Wegener-Instituts und Marum, Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen, kürzlich heraus.
In der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Nature berichten die Wissenschaftler über ihre faszinierenden Erkenntnisse. Den Nachweis erbrachten Ablagerungen am Meeresboden: Sie belegen, dass die nördlichen Meere – der Arktische Ozean und das Europäische Nordmeer – in wenigstens zwei Eiszeiten kein Salzwasser mehr enthielten.
Zustand währte Jahrtausende
Stattdessen sammelten sich in beiden Ozeanbecken große Mengen Süßwasser an, die später – vermutlich schwallweise – in den Nordatlantik abflossen. Diese plötzlichen Süßwasser-Einströme würden auch abrupte Klimaschwankungen erklären, die sich in diesem Zeitraum ereigneten. Bislang hatten Forscher noch keine schlüssige Ursache dafür gefunden.
So könnte es gewesen sein: Vor 60.000 bis 70.000 Jahren, in einer Phase der Weichsel-Eiszeit, waren große Gebiete Nordeuropas und Nordamerikas von Eisschilden bedeckt. Der Europäische Eisschild erstreckte sich nach bisherigem Wissen über mehr als 5.000 Kilometer von Irland und Schottland über Skandinavien bis an den Ostrand der Karasee, ein nördlich von Russland liegendes Polarmeer.

In Nordamerika begruben zeitgleich zwei Eisschilde weite Teile des heutigen Kanada unter sich. Grönland und Gebiete an der Beringmeer-Küste Russlands waren ebenso vergletschert. Über die Situation auf den Ozeanen ist bisher wenig bekannt gewesen: Wie sah zu dieser Zeit die Eissituation weiter nördlich im Arktischen Ozean aus? War er von dickem Meereis bedeckt? Oder reichten schwimmende Ausläufer der Eisschilde, die sogenannten Schelfeise, bis weit über den Nordpol hinaus?
Das Nordpolarmeer wurde zu Seen
Wissenschaftliche Antworten darauf hatten bislang nur hypothetischen Charakter. An Land zeugen Findlinge, Endmoränen und Urstromtäler von der Existenz der riesigen Eisschilde. Doch im Gebiet des Arktischen Ozeans gab es bislang nur wenige zusammenhängende Spuren von weit ausgedehntem Schelfeis.
Das Forscherteam von Alfred-Wegener-Institut und Marum fand nun heraus: Die schwimmenden Ausläufer der nördlichen Eisschilde bedeckten komplett den Arktischen Ozean. Einmal vor 70.000 bis 60.000 Jahren und ein zweites Mal im Laufe der sogenannten Saale-Eiszeit vor 150.000 bis 130.000 Jahren. Dabei sammelte sich unter den mehr als 900 Meter dicken Eismassen so viel Süßwasser an, dass der Arktischen Ozean und das Europäische Nordmeer zu Seen wurden.
„Mit diesen Ergebnissen stellen wir die bislang geltende Vorstellung von der Geschichte des Arktischen Ozeans im Eiszeitklima auf den Kopf“, sagt AWI-Geochemiker Dr. Walter Geibert.