Seit den 2000er Jahren gehen die Besucherzahlen der großen neuntägigen deutschen Bootsmessen kontinuierlich zurück. Waren es auf der boot in Düsseldorf 2002 noch über 350.000 Gäste, wurde 2013 mit rund 216.000 der bisherige Tiefpunkt erreicht. Im selben Zeitraum verlor die Hanseboot rund 50.000 und landete bei rund 80.000 Besuchern. Der Friedrichshafener Messe Interboot mag es kaum anders gegangen sein. Die Süddeutschen lassen ihre Zahlen jedoch nicht von der FKM, einer Kontrollgesellschaft für Messedaten, zertifizieren.
Seit 2012 ist fast überall wieder ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Zumindest stürzen die Zahlen nicht weiter in den Keller. Einzige Ausnahme: Die Hanseboot in Hamburg. Sie hat es nicht geschafft, das Ruder herumzureißen und den Sinkflug zu beenden. So musste auch in diesem Jahr auf rund 5% der Besucherzahl des Vorjahres verzichtet werden, trotz publikumsfreundlicher Öffnungszeiten unter der Woche (12-20 Uhr).
Selbst das sogenannte “After-Work-Ticket”, bei dem man wochentags von 15 bis 20 Uhr für 7 Euro plus einer Person inklusive auf die Messe kommen konnte, erzielte nicht die gewünschte Wirkung.
Heiko Zimmermann, Projektleiter der Hanseboot, resümiert: „Wir haben viele neue Maßnahmen zur Hanseboot 2016 eingeführt, wie das After Work Ticket und die neuen Öffnungzeiten. Auch wenn dies bei den Besuchern gut angekommen ist, so wissen wir, dass es schon mindestens zwei Veranstaltungen braucht, um allen Besuchern bekannt zu sein. Wir arbeiten bereits jetzt mit Hochdruck an der Hanseboot 2017, in die natürlich die Evaluierung und das Feedback aus 2016 miteinfließen wird.“
Inhalte locken Menschen an
Nun könnte man meinen, seit die Besuchermessen mit dem Internet als Infoplattform konkurrieren, läuft ihre Zeit bald ab. Denn auch andere, einstige Publikumsmagneten hat es seit den 2000ern hart getroffen. Die CeBit in Hannover, auf der 2004 noch rund eine halbe Millionen Menschen durch die Kassen gingen, erreichte in diesem Jahr nur 200.000 Besucher. Trend: Absteigend.

Doch andere Ausstellungen erfreuen sich an stetig steigenden Zahlen. Die Messe Reisen zum Beispiel, die auch jährlich in Hamburg stattfindet, wurde 2016 von rund 10% mehr Menschen besucht. Es liegt also weniger an der Plattform, als an den angebotenen Inhalten.
Zimmermann sieht dennoch die Online-Shops als die größten Konkurrenten der Messen: „Vor zehn und sogar vor fünf Jahren war Online-Shopping noch kein Thema, verändert heute aber das Veranstalten von Messen erheblich. Ich glaube, dass das Thema Bootssport in zehn Jahren immer noch ein wichtiges ist, die Branche sich aber sehr um Nachwuchs bemühen muss.“
Die Hamburger Projektleitung hat in diesem Jahr versucht, neue Konzepte für die Zukunft zu entwickeln. Dafür wurden Aussteller zum “Zukunftsworkshop Hanseboot” eingeladen. Zimmermann weiß: Die Messe muss den Besuchern attraktive Inhalte bieten. Die Frage ist: Wann ziehen solche Zukunftskonzepte, wann sind sie umsetzbar?
Bisher wurde lediglich auf den fallenden Trend reagiert: 2014 wurde die Messe verkleinert, 2016 die Öffnungszeiten verlängert. Für den erhofften Aufschwung haben beide Maßnahmen nicht gesorgt. Fallende Besucherzahlen haben letztlich sogar dazu geführt, dass viele große Werften in Hamburg erst gar nicht mehr ausstellen. In diesem Jahr nahm Hallberg-Rassy nicht teil und sogar Branchenriese Bavaria Yachtbau sagte ab – was einer Katastrophe gleich kommt und ungefähr so ist, als würde VW der IAA fernbleiben.
Es ist wie eine Spirale, denn durch den Mangel an ausgestellten Booten stehen in den lokalen Tageszeitungen Headlines wie: “Weniger Boote, weniger Aussteller”. Das schreckt auch Besucher ab. Und sinkende Besucherzahlen halten wiederum Aussteller vom Kommen ab. Und so weiter. Insider sprechen bereits davon, dass “die den Laden irgendwann zu machen, wenn das so weiter geht“.

Allerdings sind auch die Aussteller gefragt. Eine Messe bietet zwar die Plattform, die jedoch von den Anbietern mit Leben und Inhalten gefüllt werden muss. „Um ein Erlebnis für die Besucher zu schaffen, können wir als Messeveranstalter nicht allein agieren, sondern die Aussteller müssen sich selbst anpassen und sich einbringen.
Die Aussteller sind das Produkt, welches die Besucher sehen wollen und das gehört toll inszeniert. Selbst Besucher, die eine klare Vorstellung haben wenn sie auf die Messe kommen „Ich will Segel kaufen“, können so auch Dinge entdecken, die sie nicht erwartet haben. „Serendipity“ heisst das auf neudeutsch“, so Zimmermann, der früher beim Hamburg Marketing arbeitete.
Alleinstellungsmerkmal
Wie den freien Fall also stoppen? Der Hanseboot fehlt ein zündendes Moment, ein Alleinstellungsmerkmal. Auf der Interboot kommen die reichen Schweizer, die Düsseldorfer boot beeindruckt durch ihre schiere Größe und das riesige Angebot an Booten, Yachten und Megayachten. Düsseldorf ist wie Champions League. Und Hamburg? Positionierte sich in den letzten Jahren als die “Messe des Nordens”.
Das war sicher zu wenig, für eine Messe, die in den 1960er Jahren als Deutsche Bootsausstellung International gegründet wurde – damals übrigens die einzige ihrer Art im Bundesgebiet. Eine Verkürzung auf 5-6 Tage statt der bisher langen 9 Tage wird in Erwägung gezogen. Das allerdings käme einer Kapitulation gleich und würde wiederum zu weiteren Absagen von Bootsherstellern führen.
Daher ist der kurzfristige Ansatz ein anderer, wenn auch nicht radikaler. Zimmermann sieht jedoch, dass mehr für die Kunden der Messe getan werden sollte: „Die Messegesellschaften sind, neben der Bereitstellung von Organisation, Fläche und Technik, zuständig für das Kuratieren und die Kommunikation der Messe, aber auch für das Wohlergehen von Besuchern und Ausstellern. In diesem Rahmen müssen Angebote für Aussteller und Besucher geschaffen werden, um den Rückgang von kaufkräftigen Besuchern zu stoppen.“
Die Hanseboot muss also Konzepte finden, die der heutigen Zeit entsprechen und wieder mehr Besucher in die Hallen locken. Wenn es ihr gelingt, die Publikumszahlen wieder zu erhöhen, werden auch sicher wieder mehr Aussteller kommen. Spiralen haben nämlich eine Eigenart: Sie können hoch und runter drehen.