Für Alex Thomson ist die Atlantikregatta Transat Jacques Vabre vorbei. Beim Testlauf der wetlbesten Segler zur Vendee Globe kollidierte sein Boot, die brandneue „Hugo Boss“, am Sonntagmorgen mit einem unbekannten Objekt.
Gegen 10:37 Uhr deutscher Zeit, während Alex Thomson und Neal McDonald mit rund 25 Knoten segelten, kollidierte ihr Boot mit einem UFO – also ein Unidentified floating object, ein unbekanntes schwimmendes Objekt. „Wir sind nicht sicher, mit was wir kollidiert sind, aber es muss etwas Großes unter Wasser gewesen sein, das imstande war, das Boot bei 25 Knoten Tempo zu stoppen.“ berichtet Axel Thomson.
Schnell war klar, dass der Kiel des Schiffs nur noch von der Hydraulikeinheit gehalten wurde. Aufgrund der Schäden am Boot wurde entschieden, dass Alex und Neal das Rennen abbrechen werden. Seit dem Vorfall arbeiteten die Skipper unter Anleitung des technischen Teams an Land rund um die Uhr daran, den Kiel zu stabilisieren, damit sie sicher und ohne Hilfe zum nächsten Hafen segeln können.
Langsam zurücksegeln
Nachdem die akute Gefahr gebannt zu sein scheint und das Boot stabil ist, gibt Ross Daniel, technischer Direktor von Alex Thomson Sailing, die Marschrichtung vor: „Unsere beste Option scheint zu sein, langsam und sicher zu den Kanarischen Inseln zu segeln.“ sagte er in dem am Montagmorgen veröffentlichten Statement des Segel-Rennstalls.
Die Entscheidung darüber sei aber noch nicht gefallen, so Ross „Im Moment sind Alex und Neal nicht in unmittelbarer Gefahr, und wir stehen nicht unter Zeitdruck, da wir derzeit leichte Winde und einen leichten Seegang haben, was wegen des Azoren-Hochs wahrscheinlich so bleibt.“
Die beiden Segler haben außer ein paar Schrammen nichts abbekommen, aber der Aufprall war heftig: „Wenn man ins Auto steigt, die Augen schließt und mit 60 Stundenkilometern gegen eine Wand fährt – so fühlte es sich an!“
Alex Thomson legte Schnellstart hin
Seit Sonntag ist die Flotte der IMOCAs und Class 40, dazu drei Trimarane im Transat Jacques Vabre unterwegs, eine der wichtigsten Regatten im Hochsee-Rennsport. Die Kaffeeregatta ist deswegen so anspruchsvoll, weil alle guten Class 40s und praktisch alle konkurrenzfähigen Imoca-Segelyachten am Start sind. Das Publikum erwartete einen ersten Showdown zwischen dem Favoriten Jeremie Beyou und dem Engländer Alex Thomson mit dessen neuem Schiff. Doch es kam anders.
Die Skipper sind die besten der Szene, darunter auch der Hamburger Boris Herrmann. Und auch die Co-Skipper, vom Veranstalter bewusst nicht als untergeordnete „Crew“ bezeichnet, sind absolute Top-Profis – und meistens selbst erfahrene Einhand-Skipper.

Weil nicht im Einhand-Modus gesegelt wird, sondern mit Zweiercrews, können die Schiffe 24 Stunden am Tag mit voller Leistung gefahren werden. Während beim Einhandsegeln die Skipper kraftraubende Manöver rechtzeitig angehen müssen, wartet man zu zweit mit dem Reffen, solange es geht.
Die besten Skipper der Szene
Aus internationaler Sicht stellt sich das Rennen anders dar als aus dem Blickwinkel der tonangebenen Franzosen. Interessant wird sein, wie „Hugo Boss“ (Alex Thomson mit seinem neuen Schiff und Co-Skipper Neal McDonald) und Boris Herrmann, gerade zurück von seiner Atlantiküberquerung mit Greta Thunberg, mit Co-Skipper Will Harris („Malizia II“) abschneiden. Mit ihrem etwas älteren Boot ist das Transat-Boot von Boris Herrmann vor allem bei ruppiger See den Neubauten ebenbürtig.
Spannend ist auch, was die Deutschfranzösin Isabelle Joschke mit Co-Skipper Morgan Lagravière ausrichtet. Sie mussten nach Mastschaden einen Reparaturstopp in Lorient einlegen. In der Class 40 treten unter anderem die Hamburger Brüder Arnt und Sönke Bruhns und der Profi Jörg Riechers an. Riechers arbeitete sich schnell ins Spitzenfeld vor, die Amateure Bruhns behaupteten sich äußerst respektabel im Mittelfeld.
Drei Regatten in einer
Im Grunde besteht das Transat Jacques Vabre aus zwei Regatten. Die Class-40-Boote mit 12,18 m Rumpflänge sind vor allem für das Fachpublikum interessant. Sie sind gewissermaßen die Erste Liga, in der alles spielt, was in die Champions League strebt, also in die Klasse der 60 Fuß (18,28 m) langen Imocas.

Optisch ähneln sich die beiden Bootstypen, im Preis unterscheiden sie sich etwa um den Faktor 10. Eine 40er kauft und segelt man im sechsstelligen Euro-Bereich, für eine erfolgreiche IMOCA-Kampagne braucht es einen Millionenbetrag. Thomsons Neubau kostete sechs Millionen Englische Pfund. Es geht aber auch – gerade mit Gebrauchtbooten – deutlich billiger.
Obwohl auch bei den Imocas versucht wurde, mit einheitlichen Masten und Kielen bei den Neubauten den Kostendruck zu mindern, sind diese Boote nur etwas für Millionäre oder Teams mit starken Sponsoren.
Das Rennen über den Atlantik wird vom Veranstalter beharrlich „La Route du Café“ genannt – für den Fall, dass der Kaffeeröster Jacques Vabre sich irgendwann mal als Namenssponsor aussteigt. So erging es dem Ocean Race, das als „Whitbread“ begann und noch heute den meisten als „Volvo Ocean Race“ im Ohr ist.

Kein Zweikampf mehr zwischen „Hugo Boss“ und „Charal“
Für das französische Publikum sind es die französischen Hochsee-Stars auf den IMOCAs, die das Rennen spannend machen. Jeremie Beyous Boot „Charal“ segelt bereits seit einem Jahr: Es war als erstes Schiff der neuen Generation auf dem Wasser. Das hat Vorteile, weil der Skipper viel Trainingszeit hat und sein Team viel Zeit, um Verbesserungen am Boot durchzuführen. Es hat aber für den, der als Erster aus der Deckung kommt, den Nachteil, dass die anderen Teams das Boot und eventuelle Schwächen beobachten und daraus lernen können.
Thomsons Co-Skipper Neal McDonald segelte bei Olympia, im America’s Cup und in sieben Volvo Oceans. Und er beriet auch Thomsons derzeit hoch bewerteten Konkurrenten, den erwähnten Jeremie Beyou. Interessen- oder Nationalitäten-Konflikte gibt es nicht. Innerhalb der Szene kennt man keine Grenzen.
Co-Skipper McDonald soll Thomson bremsen
Thomson heuerte den Vollprofi McDonald als Performance Manager für sein Team an. McDonald sagte in Le Havre, er würde derzeit eher auf „Charal“ wetten, aber das dürfte psychologische Hintergründe gehabt haben. Er hat nämlich, darüber ist man sich im Team einig, an Bord auch den schwierigen Job, Thomson ein wenig zu bremsen, wenn der das neue Schiff zu hart rannimmt. Genau das scheint jetzt passiert zu sein.

Das Wichtigste für die beiden war bei der Regatta, das neue Schiff kennenzulernen und Daten für die Konstrukteure und Bootsbauer zu sammeln. Thomson: „Dies Rennen ist in erster Linie eine Gelegenheit zum Lernen und Testen. Wir werden verstehen, was das Boot leisten kann, und wo wir seine Entwicklung vor dem Vendée Globe vorantreiben müssen.“