Nach zehnjähriger Bauzeit geht das Schiffshebewerk Niederfinow jetzt in die letzte Bauphase. Der 2009 im Rahmen des „Anti-Stau-Programm“ der Bundesregierung begonnene Neubau sollte bereits 2014 in Betrieb genommen werden. Aber die Fertigstellung verschob sich wegen Bauverzögerungen und Firmenwechseln um vier Jahre. Jetzt soll das neue Schiffshebewerk laut dem Wasserstraßen-Neubauamt (WNA) in Berlin nach einer halbjährigen Probephase 2020 in Betrieb gehen.
Wer auf dem Wasserweg per Boot zur Ostsee möchte, fährt über die Oder-Havel-Wasserstraße, im Volksmund Oder-Havel-Kanal. Unterwegs muss per Boot ein Höhenunterschied von 36 Metern überwunden werden. Das tut man seit 1934 im Schiffshebewerk Niederfinow am östlichen Ende des Kanals. Es ist das Brückenglied für die gesamte Schiffsverbindung zwischen Berlin und Stettin.
Der erste Lastentest
Kommende Woche wird es nun im Schiffshebewerk den ersten Lastentest geben. Der Stahltrog, der künftig die Schiffe auf das höhere Wasserniveau heben wird, soll mit Korrosionsschutz versehen werden. Dafür müssen 5.000 Sandsäcke, die bisher die 10.000 Tonnen Gewicht des Wassers simuliert haben, sukzessive aus dem Stahlbehälter herausgehoben werden.
Zum ersten Mal wird dabei auch die Notbremse des Hebesystems, im Fachjargon „Troghaltevorrichtung“ getestet. „Es besteht aus einer Schraube am Trog und einer Mutter in der Außenwand. Bei einer unerwarteten Druckentwicklung setzt sich die Schraube auf der Mutter ab und verhindert, dass der Trog, sollte er durch Wasserverlust leichter als die Gegengewichte sein, nach oben gerissen wird“, beschreibt Wolf Laule, Bereichsleiter des WNA Berlin, das mehrere Tonnen schwere System. Ein entscheidendes Bauteil, das für die Sicherheit des Betriebs sorgt. Im Anschluss daran sollen bis Ende des Jahres die Antriebe für den Trog montiert werden. Zum Schluss wird die Steuertechnik eingebaut.
„Das neue Schiffshebewerk ist mit viel Sensorik ausgestattet, um Verschiebungen, Verformungen und Temperaturen zu überprüfen. Alles muss deshalb sehr genau aufeinander eingespielt sein – für die Ingenieure ein wesentlicher Schritt“, so Laule. Mitte nächsten Jahres geht das Schiffshebewerk dann in den Probebetrieb. Ein halbes Jahr wird die „Maschine“, wie das Werk im Fachjargon heißt, mit echten Schiffen in den Testbetrieb gehen und von der ARGE „Neues Schiffshebewerk Niederfinow“ geprüft.
Das alte Schiffshebewerk ist mit einer Troglänge von 84 Metern schon lange nicht mehr zeitgemäß. Die Ladekapazität mit zwei Metern Tiefe liegt deutlich unter der des heutigen Standards. Der Trog des neuen Hebewerks mit 115 Metern Nutzlänge und 12,5 Metern Breite kann Containerschiffe bis 110 Metern Länge heben. 4,4 Millionen Gütertonnen sollen in Zukunft mit Containerschiffen über das Hebewerk transportiert werden. Damit wird ein weiterer Abschnitt im Ausbau des modernen Gütertransportwegs zwischen der Ostsee, Stettin und Berlin fertig.
Keine Einschränkung für die Freizeitschifffahrt
Das Schiffshebewerk ist im Ausbau der Wasserstraßenverbindung Berlin-Stettin-Ostsee nur ein Baustein. Die gesame Strecke soll für den Güterverkehr auf einen Schiffstiefgang von 2,80 m ausgebaut werden – aktuell starten die Baumaßnahmen auf der Oder-Havel-Wasserstraße. 55 Meter wird der Kanal breit, dessen Ufer klassisch mit Wasserbausteinen befestigt wird. Für die Freizeitschifffahrt wird es laut WNA keine Einschränkungen geben, nur die Güterschifffahrt nimmt zu.
Das alte Schiffshebewerk ist das älteste noch arbeitende seiner Art. Mindestens fünf Jahre bleibt das denkmalgeschützte Werk noch in Betrieb, bis die Gewährleistungansprüche des neuen Werks abgelaufen sind. So ist der Schiffsverkehr an der Oder-Havel-Wasserstraße auf alle Fälle sichergestellt. Ob das alte Hebewerk für die Freizeitschifffahrt in Betrieb bleiben wird, ist noch unklar. „Wir können uns durchaus vorstellen, das alte Werk weiter laufen zu lassen. Das müsste jedoch durch einen Drittbetreiber geschehen, der die Unterhaltung des alten Hebewerks finanziert. Denn die Behörde kann das Personal für zwei Hebewerke nicht stellen“, so Amtsleiter Sebastian Dosch vom Wasserstraßenschifffahrtsamt (WSA) Eberswalde. Drei bis fünf Mitarbeiter braucht es zur Zeit pro Schicht, um das Werk in Gang zu halten – Elektriker, Schlosser und Treidler.
„Das Wasserstraßen-Schifffahrtsamt Eberswalde sucht im Moment einen Betreiber, der die Vermarktung entwickelt und den Betrieb sicherstellen kann. Für den Bund als Eigentümer des denkmalgeschützen historischen Schiffshebewerks Niederfinow muss der Betrieb kostenneutral bleiben“, so der stellvertende Amtsleiter Sebastian Dosch. Für den Bestand des alten Hebewerks ist es besser es bleibt im Betrieb: „Der Wassertourismus steht in der Region erst am Anfang. Und die Idee, das alte Hebewerk weiter zu nutzen, ist durchaus charmant“, meint Sebastian Dosch. Für die Freizeitschiffer ist es sicher das imposantere Erlebnis, die Schleuse durch das alte Hebewerk zu passieren.