Uralt trifft auf brandneu: Am ältesten Schifffahrtskanal Deutschlands wird derzeit ein Projekt umgesetzt, das es so noch nicht gab – und das für viele weitere zum Vorbild werden könnte. Für den 400 Jahre alten Kanal ist jetzt ein kommunaler Verband zuständig.
Der Zweckverband Region Finowkanal hat in dem Binnenrevier nördlich von Berlin nicht nur den Betrieb der 12 historischen Schleusen entlang der 32 Kilometer langen Wasserstraße übernommen, er organisiert auch deren Sanierung. Was nach einer bürokratischen Petitesse klingt, ist tatsächlich ein Novum.
Der Vorgang spiegelt einen Strukturwandel wider: Auf vielen Binnenwasserstraßen geht der kommerzielle Schiffsverkehr stark zurück. An seine Stelle tritt der Wassertourismus. Zum Finowkanal läuft parallel eine weitere Wasserstraße (die Havel-Oder-Wasserstraße), so dass genügend Ausweichkapazitäten zur Verfügung stehen. So konnte der Schleusenbetrieb in andere Hände gehen: in die kommunaler Akteure.
Einer davon ist die Wassertourismus Initiative Nordbrandenburg (WIN) mit inzwischen neun Mitgliedern, darunter drei Landkreise und fünf Städte. Ihre Projekte werden vom Land Brandenburg gefördert. „Wir wollen das attraktivste Revier entwickeln, gemeinsam mit Mecklenburg-Vorpommern“, sagt die WIN-Projektleiterin Julia Pollok.
Wasserstraßen wachsen nicht auf den Bäumen
Dafür soll das Netz, das man führerscheinfrei mit Charter-Schiffen auch über 15 PS Motorisierung befahren darf, vergrößert werden. Weil neue Wasserstraßen aber nicht auf den Bäumen wachsen, hat bei WIN die Wiederentdeckung und Instandsetzung alter Schifffahrtswege Priorität. Und davon gibt es viele, nicht nur in diesem Binnenrevier. Manche sind nur ein paar Jahre im Dornröschenschlaf, andere dagegen fast schon vergessen.

Als erster Streich gelang im Sommer 2011 – da existierte WIN sieben Jahre – die Reanimation eines vier Kilometer langen Teilstücks vom Werbellinkanal. Die sieben Kilometer kurze Wasserstraße macht seitdem den idyllischen Werbellinsee für Wassertouristen ohne Führerschein zugänglich. Vor gut hundert Jahren war ein Teil des Kanals zugeschüttet worden, er schien damals überflüssig zu sein. Für rund 4,5 Millionen Euro entstand das Wasserbauwerk neu.
„Durch den Neubau gibt es jetzt eine Verbindung zwischen dem Finowkanal und dem Werbellinsee“, fasst Julia Pollok zusammen. Als Bauherr trat die Anrainergemeinde Marienwerder auf – erstmals finanzierte in Deutschland eine Kommune ein Kanalbauprojekt. Ein gewaltiger Zuschuss zu den Baukosten kam vom Land Brandenburg.

Sanierung fast komplett bei Land und Bund
Auch beim denkmalgeschützten Finowkanal wird diese bewährte Allianz aus kommunalen Projektleitern und Betreibern sowie Geldgebern auf Landes- und Bundesebene umgesetzt. Der Bund trägt die erste Hälfte der Sanierungskosten, das Land Brandenburg weitere 95 Prozent der zweiten Hälfte.
Offenbar ist man auf überregionaler Ebene froh, die teure Instandhaltung von Teilen des riesigen Netzes abgeben zu können. Und die neuen Deichgräfinnen und Binnenrevier-Förster vor Ort begrüßen die gewonnene Zuständigkeit, um ihr touristisches Angebot zu vervollständigen. „Die Zusammenarbeit ist schon seit Jahren gut, wir hängen ja alle gemeinsam an einem Netz“, sagt Julia Pollok.