Wie durch ein Wunder kracht es nicht
An der ersten Boje bereue ich, dass ich das Angebot von Fortunato nicht angenommen habe. Bis dahin haben wir uns wacker geschlagen. Wie durch ein Wunder hat es nirgends gekracht, als sich vor dem Start bei rund 20 Knoten Wind die Maxiyachten Spirit Of Portopiccolo, Tempus Fugit und Pendragon ihren Weg wie Barrakudas durch einen Schwarm Beutefische bahnen. Sie werden als die üblichen Verdächtigen auch in diesem Jahr das Rennen unter sich ausmachen. Aber Dabeisein ist alles.
Wolfgang steuert unbeirrt und sucht sich einen Platz zwischen den beiden Startbojen P und P1, die nahe dem Ufer der Barcola Riviera das Feld markieren. Es muss von dort ein grandioser Anblick sein. Dann ein dumpfer Kanonenschuss – der Start. Plötzlich gewinnt das Durcheinander eine Form. Alle Segel sind angeluvt und streben in die gleiche Richtung: die erste Boje.
Fast aus dem Augenwinkel nehme ich die witzigen Aspekte der Barcolana wahr: Da alle Boote, egal welcher Klasse zugehörig, auf einmal starten, finden sich kleine neben mittelgroßen Segelbooten und Traditionssegler neben Carbonfaser-Yachten wieder. Kurz sehe ich das Boot mit einer Fahne der italienischen Vereinigung für den Chianti Classico, den Gallo Nero. Ich bin nicht sicher… sind das wirklich zwei rundbauchige Chianti-Flaschen, die sie da irgendwie am Schiff festgebunden haben? Vermutlich bin ich regattakrank.

Das Nachbarboot ist nur Zentimeter entfernt
Der Wind lässt etwas nach. Das Startfeld, eben noch eine kompakte Masse aus GFK und Segeln, zieht sich auseinander. Längst sind die Maxis entschwunden. In weniger als einer Stunde werden sie den Regattakurs beenden. Doch an der ersten Boje wird es für uns Normal-Segler eng. Sehr eng.
Daniele und ich hechten mit Fendern am Schiff entlang. Die Fender müssen nach dem Reglement mindestens während des Starts außenbords hängen und sollten es für den weiteren Verlauf tunlichst auch bleiben. Denn die Nachbarn sind nur Zentimeter von Levje entfernt. Und das ist keine journalistische Formulierung!

Ich frage die Crew des Nachbarboots, ob sie Spaß haben, und ernte fröhliches Gelächter. „We are all in the same boat“, der Slogan der diesjährigen Barcolana, scheint trotz anderslautender politischer Tendenzen hier wirklich zu greifen. Wir fühlen uns alle als ein großes Team – dazu berufen, möglichst keine Löcher in den eigenen und den Rumpf der anderen zu fahren.
Als auf einem der Boote laut und grob geflucht wird, wird der Rufer zurechtgewiesen. „Man schreit nicht auf einem Boot“, weist ihn der Steuermann in die Schranken. Und auch als uns ein Boot regelwidrig die Vorfahrt nimmt, macht unser Nachbar Platz, damit es nicht noch enger wird. Er grinst. Ich atme durch.
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