Die Atlantic Rally for Cruisers (ARC) ist unter Seglern ein fester Begriff: Was für viele große und kleine Charterer die notwendige Revier-Überführungsfahrt ihrer Yachten vom sommerlichen Mittelmeer in die winterliche Karibik darstellt, ist für viele Amateure der bequeme Einstieg ins Fahrtensegeln. Leichter lässt sich eine Atlantik-Überquerung kaum bewerkstelligen, im Prinzip ist alles organisiert, man muss nur anheuern.
Doch wer denkt, die Flotte der ARC mit ihren über tausend Seglern aus 53 verschiedenen Ländern hat von Gran Canaria nach St. Lucia im Antillenbogen bloß eine Spazierfahrt vor sich und muss nur die Segel setzen, um sich vom Passatwind treiben zu lassen, der irrt.

Störungen gibt es immer
Sicherlich gibt es viele Reiseberichte, die die genannten Erwartungen zu bestätigen scheinen: Die Strecke ist schließlich Teil der so genannten Barfußroute, und mit dem Ende der Hurrikanzeit Anfang November eine eher stabile und sichere.
Doch die letzten Jahre haben immer wieder gezeigt, dass Störungen das eigentliche Passatwindfeld, was von Anfang an erwartet, weil auch von vielen Büchern beschrieben wird, das Regattafeld gehörig beeinflussen können.
Ich habe mir die Tracks seit 2010 angeschaut und dazu die jeweiligen Wettersituationen zwischen Start und Ziel analysiert.

2010 wurde der Passat zeitweise gestört
2010 war die Wetterlage zum Start typisch: Das Azorenhoch sorgte für einen stabilen Passat, der mit jeder Meile nach Süden an Stärke gewann. Die Boote fuhren einen etwas tieferen Kurs im Vergleich zum Großkreis, dem kürzester Weg.
Doch nach etwa zehn Tagen zeigte sich dann ein starkes Atlantiktief, das die Hochdruckzone bei 30°N ordentlich durcheinander brachte. Die Schwachwindzone wurde stark nach Süden verschoben; und damit auch der Wind. Im Tracker ist gut zu sehen, wie nahezu die gesamte Flotte nach Süden ausweicht, um weiter Wind zu sehen. Im Anschluss ging es mit stabilem Passat weiter.

Der bessere Wind lag im Süden
2011 war ein Jahr mit sehr konstantem Passatwind, ohne Störungen. Allerdings war auch hier der bessere Wind etwas weiter im Süden zu finden, so dass sich bis auf wenige, alle auf den Weg in Richtung Kap Verden begaben und bei etwa 20°N 30°W nach St. Lucia abbogen.
2012 sah man auf der Großwetterlage zunächst keine Besonderheiten, dennoch war der Passat nicht vollends ausgeprägt. Schuld war ein kleinräumiges Tief, dass sich von Westafrika in Richtung Kanaren und Atlantik erstreckte.

Somit fuhren insbesondere die schnellen Boote einen direkten Westkurs, vereinzelt sogar in Richtung Nordwesten. Also weg vom Ziel. Erst mit Auflösung des Tiefs und der Flautenzone, konnten die Boote fünf Tage nach dem Start mit einem sich besser aufbauenden Passat auf den Weg in Richtung Ziel machen.
Hoch reichte bis nach England
2013 kam es insbesondere auf eine gute langfristige Vorhersage an. Zum Start zeigt sich im Wetterbild eine enorme Nord-Süd-Ausrichtung. Zum Einen von einem Tief bei den USA und weiter im Osten auch beim Hoch. Es erstreckte sich auf 30°N in Ost-West, sondern von 18°N über die Azoren bis nach Großbritannien.

Dadurch, dass diese Schwachwindzone langsam nach Osten wanderte, war in weiten Bereichen mit Passat Fehlanzeige. Es gab allerdings einen kleinen Korridor, den das Hauptfeld nutzte.
Für sie ging es erst einmal in Richtung Kap Verden, um später von hier mit dem sich langsam wieder erholenden Passat nach Westen zu gehen.
Großer Bogen durch den Norden
Eine gute Handvoll Boote dagegen nutzte in den Tagen nach dem Start ein kleines Tief mit Kern bei 33°N 28°W aus, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Sie segelten im Norden des Kerns mit achterlichen Winden um das Tief und suchten anschließend am Westrand des Tiefs den Übergang hin zu Passatwinden.
Dieser große Bogen im Norden sollte sich auszahlen, denn diese Gruppe war am Ende vor allen anderen in St. Lucia.

Windfeld brach 2015 zusammen
2014 sollte es bis auf die Siege einer Volvo 70 und einer Farr 100 im Rest des Feldes keine Überraschung geben. Schon gar nicht im Wetter. Die erwartete und erhofft klassische Passatlage stellt sich von Start bis Ziel ein.
2015 ging es zunächst bei guten und stabilen Winden los, doch nach etwa vier Tagen zeigte sich auf Höhe der Kap Verden eine kleine Tiefdruckstörung. Das Windfeld brach hier zusammen. Boote auf südlicherem Kurs hatte plötzlich Probleme. Die, die etwas weiter im Norden fuhren, mussten einen kleinen Nordschlenker einbauen, um im guten Wind zu bleiben. Und alle, die letztendlich etwas nördlicher vom Großkreiskurs fuhren, lagen am Ende vorne.

Tiefdruckrinne mitten im Weg
2016 war ein sehr besonderes Jahr. Die Wetterlage war alles andere als einfach, denn mitten auf der Strecke lag eine sogenannte Tiefdruckrinne, die sich partout nicht von Ort und Stelle bewegen oder auflösen wollte.
In ihr bildeten sich nicht nur ständig Schauer und Gewitter, sondern das Windfeld war darüberhinaus alles andere als stabil und segelbar.

Nur zwei Ausweg-Möglichkeiten
So gab es im Prinzip nur zwei Möglichkeiten: 1. Man bahnt sich den Weg weit nach Süden, in der Hoffnung, dass dort der Passatwind zu finden ist. Oder man segelt weit nach Norden hinaus, um diese Flautenzone herum. Es kam somit zu einer markanten Zweiteilung des Feldes, wobei die Nordroute am Ende die etwas Schnellere war.
Allerdings gab es auch einige wenige Yachten, die hindurchgefahren sind. Doch die Rückmeldungen zeigen, dass dieser Wagemut mit Unannehmlichkeiten bestraft wird. Fehlender Wind und teils schweres Wetter setzten den Crews zu und die Motorstunden (ist erlaubt, gibt aber Negativpunkte) gingen auch fleißig nach oben.

Sturmtief verschob Azorenhoch
2017 sorgte zum Start der Regatta ein Sturmtief für eine extrem starke Südverschiebung des Azorenhochs und damit auch der Passate. Diese begannen erst auf Höhe der Kap Verden und erstreckten sich nur sehr langsam im Laufe des Rennens wieder nach Norden.
Somit war der „goldenen Kurs“ in diesem Jahr derjenige über die Kapverden: Zunächst musste eine kleine Düse entlang der Afrikanische Küste ausgenutzt werden, um in den Bereich des Passat zu kommen.
Da sich langfristig die Situation auf dem Atlantik wieder normalisieren würde, lautete die Strategie: die stabilen Winde so schnell wie möglich im Süden zu finden, um mit Ihnen den Weg nach St. Lucia zu gehen und den Motor möglichst lange nicht nutzen zu müssen. Am Ende verhalf diese Strategie einer Hallberg Rassy 37 zum Gesamtsieg.

Böen können immer auftreten
2018 war dagegen schon fast normal. Es ging mit recht stabilen Bedingungen auf einen Kurs, der genau mittig zwischen Kap Verden und dem Großkreis lag. Bis auf einzelne Squalls, also lokale Störungen mit Böen bis an die 40 Knoten, die allerdings jedes Jahr auftauchen können, blieben Überraschungen aus.
2019 begann schon fast wie 2017. Ein Tief zog aber schon ein paar Tage vor dem Start über die Kanaren, so dass sich dahinter hohe Luftdruck über der Strecke zeigte. Es ging für einen Großteil der Flotte anfangs lange windschwach zu.

Königsweg über die Kapverden
Auch hier war der Königsweg zunächst über eine direkte Route in Richtung Kap Verden, den stabileren Wind dort zu finden. Aber das galt eher nur für die schnellen Boote. Die etwas langsameren konnte aufgrund der sich bereits nach einer Woche langsam wieder aufbauenden Passate keinen großen Nutzen daraus ziehen.
Vor allem auch, weil das Passatwindfeld sich aus zwei Richtung neu formierte. Einmal aus dem noch vorhandenen Feld bei den Kap Verden und dann kam ein weiteres Passatwindfeld von den Kanaren hinzu durch eine Nordverschiebung des Azorenhochs. Die Boote in der längeren Flautenzone hatten somit einen anderen Vorteil. Den, auf der kürzesten Route zu sein und dort teils etwas früher von Achtern den neuen Wind zu sehen.

Jedes Jahr aufs Neue spannend
Wie man aus dieser kurzen Analyse erkennen kann, ist jedes Jahr aufs Neue spannend und nicht selten schwierig in der Prognose. Da es bei den angefragten Routings zu allererst um die Sicherheit geht, spielt eine richtige Taktik bzgl. des besten Windes nur eine untergeordnete Rolle.
Spätestens nach dem Routingerfolg 2017 mit der Hallberg Rassy 37 hat sich die Möglichkeit auch recht kostengünstig ein Routing bei der Wetterwelt einkaufen zu können, um vordere Plätze zu erreichen, herumgesprochen.
Allerdings muss man auch festhalten, dass für die meisten die größte Herausforderung noch bevorsteht: Der Weg zurück nach Europa!