Was zunächst umweltbewusst klingt, bedeutet im Gegenzug, dass 2.800 Kilometer Wasserwege zu „Sonstigen Wasserstraßen“ erklärt werden. Für diese ist der Bund dann nicht mehr zuständig und braucht sich nicht um den Erhalt von Schleusen und Wehren kümmern.
Betroffen sind vor allem Nebenwasserstraßen, die für den Güterverkehr nicht mehr benötigt werden. Dort sollen natürliche Flusslandschaften und Biotope geschaffen werden. Fünf Pilotprojekte an Rhein und Weser gibt es bereits.

In der Beschreibung zum Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“ heißt es ausdrücklich, dass die betroffenen Regionen für Freizeit, Erholung und Wassertourismus aufgewertet werden sollen: „Renaturierte Wasserstraßen sind ein attraktiver Freizeit- und Erholungsraum für den Menschen und geben als naturnahe Flusslandschaft wichtige Impulse für die regionale Entwicklung.“ Wassersportverbände und die Tourismusbranche sehen das ganz anders.
Große Sorgen bei Touristikern
In einem Offenen Brief machen die Spitzenverbände des Wassersports zusammen mit den Industrie- und Handelskammern der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein auf den wichtigen Wirtschaftsfaktor Wassertourismus aufmerksam. Sie befürchten starke Einschränkungen sowohl für den Wassersport als auch für die Touristik in strukturschwachen Regionen. Indem vorwiegend touristisch genutzte Bundeswasserstraßen zu „sonstigen Wasserstraßen“ herabgestuft werden, stehle sich der Bund aus der Verantwortung für den Erhalt der Wasserwege, in die dann nicht mehr investiert wird. Zudem bedeute eine Renaturierung gravierende Beschränkungen der wassertouristischen Nutzung der Gebiete.

„Ein großer Teil der Infrastruktur entlang der ‚Nebenwasserstraßen‘ braucht aktuell Erhaltungsinvestitionen für Schleusen, Brücken oder die Wasserstraßen selbst.“ erklärt Bernd Fischer, Geschäftsführer des Tourismusverbands Mecklenburg-Vorpommern. „Dringend notwendige Investitionen der öffentlichen Hand und der privaten Wirtschaft werden nicht nur ausgesetzt“, so Fischer, „sondern auch Investitionen der vergangenen Jahre in Frage gestellt.“ Damit setze man Wirtschaftskreisläufe im ländlichen Raum und die Regionalentwicklung selbst aufs Spiel.
Ende mit Ansage für Motorboote
Der Bund will zwar 30 Jahre lang spezielle Förderprogramme mit Investitionen von 50 Millionen Euro pro Jahr für die Renaturierung ausstatten. Doch Renaturierung bedeutet eben vor allem eine gravierende Beschränkung der wassertouristischen Nutzung. Motorbootfahren gehört dort dann wohl der Vergangenheit an. Im Prgoramm zum „Blauen Band“ heißt es: „Die Infrastruktur an nur wenig genutzten Gewässern sollte dagegen nur für motorlose Freizeitnutzungen (‚naturnahe Wasserstraßen‘) ausgelegt werden.
“ Pikanterweise gibt es eine fast gleichnamige Initiative des Landes Sachsen-Anhalt, das Blaue Band, zur Entwicklung des Wassertourismus in Sachsen-Anhalt.
Der Bundesverband Wassersportwirtschaft (BVWW) sieht dementsprechend die Flusskreuzschifffahrt sowie die Elektro-, Charter- und Motorbootschifffahrt in Gefahr. Vielerorts sind dies wichtige Standortfaktoren für die Regionalwirtschaft. „Bevor Entscheidungen über die zukünftige Nutzung von Gewässern fallen, ist festzustellen, welche Bedeutung sie für eine Region haben“, fordert Geschäftsführer Jürgen Tracht mit Blick auch auf die wassernahe Hotellerie, Gastronomie und Campingplätze. Entsprechende Datenerhebungen über regionale Wirtschaftskreisläufe in wassertouristischen Gebieten fehlten aber bislang, so Tracht.
Das Programm und die Kontroverse
Bundesprogramm „Blaues Band“
Offener Brief der Tourismusverbände und Industrie- und Handelskammern der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein
Positionspapier des Bundesverbands Wassersport (BVWW)
4 Kommentare
Ich zitiere: „Indem vorwiegend touristisch genutzte Bundeswasserstraßen zu „sonstigen Wasserstraßen“ herabgestuft werden, stehle sich der Bund aus der Verantwortung für den Erhalt der Wasserwege.“ Dem ist nichts hinzuzufügen – außer das wir alle uns sehr umgucken werden, wenn wir nicht JETZT direkt an unsere Bundestagsabgerodneten rangehen und Herrn Dobrindt als den outen, der er ist: einen Schaumschläger erster Güte.
Die Gefahr sehe ich darin, dass der Bund die sonstigen Bundeswasserstrsssen im freihändigen Verkauf privatisieren will. Vergleiche: causa Jeetzel bei Hitzacker.
Ich bin seit Kindheit Wassersportler und habe sehr viel Unsinn und Geldverschwendung beobachtet. Da wurden z.B. die Havelufer komplett mit großen Steinen befestigt und unmittelbar danach der Berufsschiffsverkehr eingestellt. Jetzt wird über Rückbau nachgedacht. Die Entscheidungsträger gehörten bestraft. Zum anderen darf man diesen Bestrebungen des Bundes, sich aus der Verantwortung zu stehlen und den Wasserwandertourismus als Wirtschaftsfaktor indirekt zu minimieren nicht dulden. Diese kurzzeitigen Denkweisen sind typisch. Selbst die Havel, auf der noch touristischer Verkehr stattfindet, verkrautet von Jahr zu Jahr mehr. Das wird dann auch mit anderen ( Sonstigen ) Gewässern geschehen, bis eine touristische Nutzung nicht mehr möglich ist. Warum fehlt auf dieser Entscheidungsebene so oft die Vernunft im Einklang mit Wirtschaftlichkeit ? Jahrelang wird der Ausbau der touristischen Infrastruktur gefördert, investiert, Werbung gemacht und dann kommt wieder irgend so ein ganz Schlauer und will alles wieder kaputt machen.
Ich muss gestehen, dass ich auf Binnengewässern nur paddelnd unterwegs bin und von daher dieser Nachricht auch durchaus Positives abgewinnen kann…