Wie Sebastian Wache bereits bei seinem ersten Wetter-Routing am Samstag vermutet hat, sind die meisten Boote aufgrund des Frontendurchzugs rumgegangen, sie haben also eine Wende nach dem Winddreher gemacht. Mit Abzug des Tiefs dreht der Wind nun mehr rechts auf West bis Nordwest. Das hat Folgen, weiß der Diplom-Meteorologe.
Nun segeln die Boote erstmals in Richtung Süden, bis sich heute Abend (Montag) am Kap Finisterre der aufs Tief folgende Hochdruckkeil zeigt. Dabei wird der Wind deutlich zurückgehen, teils sogar komplett einschlafen.
Boris Herrmann ist gut durch die erste Nacht nach dem tollen Start der Vendée Globe gekommen. Er etwas müde, denn bei dem ersten Sturm musste er, auch wegen der Nähe zu den anderen Race-Teilnehmern, wachsam bleiben.
Bereits heute Nacht wird der Hochkeil schnell von einem herannahenden Tiefkomplex mit dessen Kaltfront nach Spanien weitergeschoben. Das bedeutet eine deutlich größere Herausforderung für alle Seglerinnen und Segler in den nächsten Tagen.

Anfänglich sorgt der südwestliche Wind, mit dem die Boote nach Westen rausgehen werden, für ordentlich Speed. Den werden sie brauchen und nutzen müssen, um vor einer Randtiefbildung zu flüchten. Denn entlang der Kaltfront des Haupttiefs, das leicht südwestlich von Irland liegt, bildet sich morgen Abend ein sehr giftiges Randtief. Und das wird sich sehr wahrscheinlich kurzzeitig aus dem Tiefdrucksystem entkoppeln.

Zwei Strategien: eine extrem riskante und die sichere
Die riskante Variante ist, das Tief nördlich des Kerns umgehen zu wollen. Das birgt das Risiko, Winde von bis zu 60 kn in Böen und Wellen von mehr als vier Metern Höhe zu bekommen. Es ist also enormer Speed nötig, um rechtzeitig den Kern des Tiefs südlich von der eigenen Position durchziehen zu sehen. Mit der Gefahr, weit nach Nordwesten abzufallen und Strecke zu verlieren – oder voll in den Starkwindbereich zu geraten.

Das wäre nach Betrachtung der Wettermodelle eine mehr als riskante und vor allem knappe Möglichkeit. Dafür braucht man kräftige Nerven und viel Vertrauen ins Material. Ich finde es zu riskant, das Material schon so früh im Rennen zu belasten und würde mich für die zweite Option entscheiden.
Die sicherere Variante und damit die wahrscheinlichere ist diese: Kreuzen entlang der portugiesischen Küste gegen den vom Hoch bei Spanien moderateren Südwind, bis sich die Lage nach dem Tief beruhigt. Es reichen vermutlich zwei Wenden, bis die Boote nach Abzug des Tiefs schnellstmöglich mit dem aufkommenden Hoch weitersegeln können.

Auch bei solchen Entwicklungen gilt es, mit den neuesten Wetter-Updates zu arbeiten und die Lage immer wieder neu zu bewerten. Womöglich rückt die riskante Variante mit neueren Berechnungen wieder mehr in den Fokus.
Waschechter Tropensturm zwischen Azoren und Madeira
Im weiteren Verlauf zeigt sich schon jetzt eine weitere interessante Entwicklung. Aktuell berechnet das National Hurricane Center (NHC) ein 50-Prozent-Potential für einen tropischen Sturm. Dass sich daraus ein Hurrikan entwickeln wird, bezweifle ich im Moment. Aber: Es wird auf jeden Fall ein waschechter tropischer Sturm werden, der zwischen den Azoren und Madeira zum Wochenende hindurchziehen wird. Bei entsprechender Entwicklung und Abschwächung können die Segler auf seiner Rückseite die Nordwinde für einen schnellen Schlag nach Süden ausnutzen.

Nur wenige Tage nach dem Start sorgt also schon das erste markante Wetterereignis für die erste Anspannung an Bord. Wer das Rennen selbst verfolgen will, findet auf der Website von Boris Herrmann Racing augenblicklich den besten Race-Tracker.
Was bisher geschah
Das Wetter bei der Vendée Globe – Start (7. November 2020)