Bei einem geselligen Zusammensein in der kalifornischen Hafenstadt San Diego erklärte mir einmal ein pensionierter Kapitän der US Navy den Unterschied zwischen einem Schiff und einem Boot: „Sohn“, sagte er, „wenn man es auf ein Schiff laden kann, ist es ein Boot.“ Der Mann wusste viel und plauderte gern über die Dinge der Seefahrt, wobei seine Rede selbstverständlich durchsetzt war vom Jargon – pardon, der Fachsprache – der Seeleute.
Auf meine Frage, was es mit dem Begriff „Ahoi“ auf sich habe, woher dieser komme und was er zu bedeuten habe, zuckte der gute Mann mit den Schultern: „Das ist ein alter Seemannsgruß, der weiter nichts zu bedeuten hat.“ Recht hatte er – und doch auch wieder nicht, wie ich sehr viel später bei der Lektüre des Lexikons der Seemannssprache von Dietmar Bartz lernen sollte.
Dieses spannend zu lesende und unterhaltsame Buch ist mit dem Titel „Tampen, Pütz und Wanten“ in dritter Auflage erschienen, wurde überarbeitet und erweitert. Neu ist ein umfangreicher Eintrag zu eben jener maritimen Anrufung „Ahoi“. Der Autor verfolgt mit Akribie und Ausdauer die Herkunft des Begriffs, der einerseits ein Signalwort der Seemannssprache ist, mit dem ein Schiff oder ein Boot angerufen wird. Andererseits gibt es eine Menge zusätzlicher Bedeutungen, die nichts mit der Seefahrt zu tun haben und die von Bartz detailliert beschrieben werden.
Vermutlich stammt das scheinbar originär maritime Wort aus der Landwirtschaft. Es geht zurück auf einen Ruf, mit dem englische Bauern ihr Vieh antrieben, was schon für das 14. Jahrhundert belegt ist, in einem Gedicht über einen Mann, der ein Feld pflügt. Als Wort der Seemannssprache ist „Ahoi“ dagegen noch recht jung. Erstmals nachgewiesen wurde die Verwendung der englischen Ursprungsform 1751, in deutscher Sprache 1828.
Schnell verbreitete sich das Wort über Romane und Theaterstücke, wodurch es zu einem Anzeiger maritimer Thematiken wurde: Ruft einer „Ahoi“, geht es um die Seefahrt oder zumindest um einen Seefahrer. In der Welt der richtigen Seefahrt galt der Begriff zwischenzeitlich als veraltet, wurde jedoch mit zunehmender Beliebtheit des Segelns als sportlichem Hobby wieder gebräuchlicher.
Das „Ahoi“ taucht in vielen alltäglichen, auch nicht-maritimen Zusammenhängen auf. Wer im Westen Deutschlands sozialisiert wurde, kennt sicher das Brausepulver Ahoj mit dem lustigen Matrosenlogo, das auf keiner Kinderparty fehlen durfte. Im Osten wurde „Ahoi“ als Begrüßung oder, dies aber seltener, als Abschiedswort benutzt, vorzugsweise von jungen Landratten.
Für seine massenhafte Verbreitung sorgten nicht zuletzt tschechische Filme. Populär machten es in den 1920er-Jahren Jugendliche und Studenten, die mit Kanus die südböhmischen Flüsse befuhren. In einer Art Wandervogelbewegung standen sie in romantischer Opposition zum tschechischen Bürgertum, das sich langweilige Gymnastik zum Sport erkoren hatte. Mit dem dynamischen Ruf „Ahoi“ und ihrem als international und schick empfundenem Bootsvergnügen gaben die jungen Menschen ihrer Aufbruchstimmung Ausdruck.

Interessant ist ein Streit zwischen den beiden amerikanischen Erfindern des Telefons, Alexander Graham Bell und Thomas Alva Edison, der nicht nur um das Thema Technik geführt wurde, sondern auch um den Einsatz des korrekten Wortes, mit dem ein fernmündliches Gespräch eröffnet werden sollte. Bell favorisierte „Ahoy“, während sein Konkurrent Edison meinte, man solle in jedem Fall „Hello“ sagen. Dass „Hello“ ebenfalls ein maritimer Ruf ist, der seit dem 16. Jahrhundert gebräuchlich war und im 18. Jahrhundert dann von „Ahoy“ abgelöst wurde, steht auf einem anderen Blatt.
Edison entschied diese Auseinandersetzung letztlich für sich. Diese Anekdote fand Eingang in der ohnehin an kulturellen Referenzen reichen Zeichentrickserie „Die Simpsons“: In einer Folge meldet sich der Kraftwerksbesitzer Montgomery Burns am Telefon mit „Ahoi! ‘hoy!“, worauf Homer Simpson mit „Hello?“ antwortet.
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Interessant vielleicht noch der Hinweis, dass man im Gegensatz zum dreifachen „Hipphipphurra!“, das in den kaiserlichen, hochherrschaftlichen Yachtclubs des damaligen Deutschen Segler-Verbandes (DSV) auf deren Sieger bei Regatten ausgebracht wurde – und meist heute noch wird –, in den ehr kleinbürgerlichen Vereinen, die bis 1933 im Deutschen Segler-Bund (DSB) beheimatet waren, seine Sieger mit einem dreifachen „Gode wind ahoi!“ ehrte und verabschiedete.
Also, bei uns inner Förde sächt man: Moin, moin.
Unfasslich, was das einfache Wort hergibt. Liest man bei der Wikipedia weiter, kommt man aus den Anekdoten gar nicht mehr heraus.
In der Tat, und was steht da: „Als frühester englischer Beleg gilt ein Ausruf in Tobias Smolletts The Adventures of Peregrine Pickle (1751): „Ho! the house a hoy!“, deutsch zeitgenössisch mit „Holla, he da, Wirtshaus!“ übersetzt. Der Rufer war Seemann.“