Die Charts, die Christoph Hanke vom Vorstand des Yacht-Clubs St. Peter-Ording (YCSPO) auf die Leinwand beamt, sind für manchen kaum zu entschlüsseln. Eine große Baumstruktur mit unzähligen Kästen und Inhalten ist dort zu sehen, und jedes Kästchen enthält noch einmal eine eigene Baumstruktur. Worum es geht? Um die Weltmeisterschaft im Strandsegeln, die Ende September in SPO, wie man St. Peter-Ording nennt, stattfindet. Ausrichter ist der YCSPO, und der ist seit Monaten mit der Organisation beschäftigt. Denn diese WM ist ein echtes Orga-Monster.
Die Strecke, jeden Tag anders
Etwa 150 Piloten aus aller Welt treffen sich vom 29. September bis 5. Oktober 2018, um bei teilweise atemberaubenden Geschwindigkeiten in den verschiedenen Klassen die globalen Champions zu ermitteln. Jeder Tag ist eine neue Herausforderung, und das nicht nur für die Fahrer. Denn lange, bevor auf den verschiedenen Strecken gefahren wird, müssen die Kurse erst einmal festgelegt werden. Die ablaufende Flut gibt die Strecke jedes Mal neu frei. Und jedes Hochwasser verändert die Charakteristik enorm. Der Strand ist keine Straße.

Vor jeder Regatta fährt die Rennleitung raus zur weit entfernten Sandbank, die sich kilometerlang nach Süden erstreckt. Die südlichste Wendemarke, genannt „Mallorca“, liegt rund sieben Kilometer vom Fahrerlager entfernt. Aber auch diese Entfernung variiert je nach Zustand des Strands und kann auch wesentlich mehr werden.
Dazwischen sind Priele, Wasserläufe, gefährliche Kanten, weicher und harter Untergrund. Jedes Mal muss der Strand begutachtet und die Strecke mit Flaggen, Ziellinien und Gefahrenmarkierungen neu abgesteckt werden. Wann das ist, sagt der Tidenkalender. Und nach drei bis vier Stunden, in denen am Strand gefahren werden kann, kommt das Wasser zurück – und verändert die Strecke für den nächsten Tag wieder neu.
So wird alles jeden Tag neu auf- und wieder abgebaut. Die Regattaleitung als „Vorhut“ begutachtet zunächst die Beschaffenheit der Sandbank, auf der gefahren wird. Pylonen werden aufgestellt, man malt Markierungen in den Sand. Danach kommen die Materialwagen mit Fahnen und Leinen. Aus den Pylonen werden der Start-Zielbereich und die Wendemarken. Auch gefährliche Bereiche werden so markiert, dass die tief in ihren Wagen liegenden Piloten sie gut erkennen können.

Allein diese Vorbereitungen erfordern viel Organisation: Geländegängige Autos müssen beschafft werden, dazu Hänger fürs Material, das jeden Tag zum Startbereich gekarrt werden muss. Jeder Wagen braucht Fahrer. Alle Fahrer brauchen Funkgeräte. Jedes Auto muss eine gelbe Signallampe auf dem Dach haben. Dazu kommen die Streckenposten, Sicherheitspersonal, diverse Quads, der Shuttle-Service und und und…
Zig Freiwillige arbeiten jeden Tag an der Strecke. Uhrzeiten, Autos, Positionen und Aufgaben müssen zugeteilt werden. Für Fahrer, die während des Rennens Probleme wie Mast- oder Radbruch haben oder die in Kollisionen verwickelt sind, steht ein Abschleppdienst parat, um die havarierten Strandsegler aus der gefährlichen Zone zu bergen. Die komplette Strecke muss von den Strecken- und Sicherheitsposten eingesehen werden, um jederzeit helfen zu können.

Ein Zelt als Yachthafen
Zu den rund erwarteten 150 Fahrern gesellen sich über die gesamte Zeit der Anhang und die freiwilligen Helfer. Da kommen schnell bis zu 400 Leuten zusammen. Zentraler Ort der WM wird ein Zelt auf dem Gelände des YCSPO sein: der sogenannte „Yachthafen“. Hier finden Veranstaltungen, Siegerehrungen und Parties veranstaltet – und es wird für das leibliche Wohl gesorgt. Das Hafenzelt wird der zentrale Treffpunkt während der Strandsegel-Weltmeisterschaft sein. Auch das erfordert für einen kleinen Verein einen erheblichen Aufwand.

Woher kommt das Zelt? Woher kommen die Gläser, woher die Getränke? Wer macht Musik und womit überhaupt? Wer räumt die Teller ein? Und wer ab? Ist das Zelt ausreichend gegen Wind und Wetter gesichert? Wo parken die Leute? Wie steht es um Rettungs- und Fluchtwege? Wie viele Toiletten braucht man und welche? Wann baut man alles auf, wann wieder ab? Und wer? Sitzgelegenheiten müssen ausreichend vorhanden sein, Strom und Wasser an den abgelegenen Platz in den Dünen verfügbar sein. Selbst professionelle Party-Planer kämen mit all diesen Fragen wohl an ihre Grenzen. Auch, weil die Strandsegler-Szene als sehr feierfreudig bekannt ist.

Sicherheits- und Katastrophenplan
Die WM findet in einer Woche mit Feiertag (dem 3. Oktober) statt. St. Peter-Ording wird daher voller Urlauber sein. Zimmer sind jetzt schon fast kaum noch zu bekommen. Da sich oft schon früh morgens Menschen auf den Weg an den Strand machen, um Bernstein zu sammeln, zu joggen oder den Hund auszuführen, muss auch für die Sicherheit der Strandläufer gesorgt werden. Der Strand wird für die Strandsegel-WM nicht komplett gesperrt, und die Zuschauer entlang an der Strecke müssen wissen, wo sie sicher stehen. An den üblichen Zugängen zum Strand werden darum Helfer eingesetzt. Eine Herausforderung dürften Urlauber werden, die stur bleiben: „Ich habe Kurtaxe bezahlt, deshalb habe ich das Recht, hier lang zu gehen.“

Auch wenn man in St. Peter-Ording am Strand das Gefühl haben kann, dass der Lauf der Welt hier stehen geblieben ist: Auch hier werden die Auflagen immer strenger. Andreas Pawlik,Sicherheitsbeauftragter des YCSPO, kann davon ein Lied singen: „Wir haben einen Sicherheits- und Katastrophenplan erstellt, in dem wir alle Eventualitäten einer solchen Großveranstaltung ansprechen. Von (unwahrscheinlich) Terroranschlag über extreme Wetterlage, Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung durch Demonstrationen bis hin zu Feuer (im Zelt oder Clubhaus), Massenunfällen am Strand und schwersten Verletzungen. Aber eben auch Versorgung der Zuschauer mit Toiletten, Shuttle, dazu die Absperrungen am Strand und in der Ziel-/Start Zone.“ Nicht zu sprechen von täglichen Briefings mit dem Ortsamt, der DLRG, Ärzteteams, der Tourismuszentrale und den Sicherheitskräften, die vorbereitet und durchgeführt werden müssen.

Auch die Fahrer sind beim Thema Sicherheit in der Pflicht. Jeder Strandsegler muss einen Erste-Hilfe-Kurs nachweisen, um eine Startberechtigung zu erhalten. Vor den Starts werden stichprobenartig auch Alkoholtests durchgeführt. In rund fünf Monaten geht das Spektakel auf der Sandbank los. Bis dahin arbeiten die Organisatoren noch unzählige Punkte auf zahllosen Listen ab. Wer live vor Ort sein möchte, kann sich bei der Zimmervermittlung sicher noch eine Bleibe besorgen. Noch ist dafür Zeit.