Die Insel Rum Cay liegt rund 30 km südwestlich von San Salvador. Ihren Namen bekam sie vermutlich von einer untergegangenen Schiffsladung: Spanische Forscher fanden am Strand ein Fass Rum und tauften das von Kolumbus „Santa Maria de la Concepción“ genannte Eiland in Rum Cay um. Die Insel ist ein Traumziel. So wollten auch die beiden frisch vermählten US-Amerikaner Donna und Forrest Sanco vor einigen Tagen ihre Flitterwochen dort verbringen.
Sie kamen jedoch nie an. Zum letzten Mal wurden sie Anfang Oktober beim Auftanken ihrer Cessna 150 gesehen, mit der sie von Texas auf die Insel fliegen wollten. Seitdem fehlt von dem Paar jede Spur. Da der Weg von Texas nach Rum Cay über das Bermuda-Dreieck führt, halten viele aufgeregte Medien die beiden für neue Opfer des berüchtigten Seegebiets im Westatlantik.
Bermuda-Dreieck. Dieses Gebiet gilt bei den meisten Menschen als tödliche Region, in der auf unerklärliche Weise ständig Flugzeuge und Schiffe verschwinden. Immer wieder erfährt man von Unglücken in dieser eigentlich traumhaften Urlaubsecke, die statistisch gesehen völlig harmlos ist.
Wie eine Legende entsteht
Seefahrer gibt es bereits seit der Altsteinzeit. Einer der bekanntesten ist Christoph Kolumbus, der auch im Bermuda-Dreieck fuhr. Damals war diese Region nicht als besonders berüchtigt bekannt. Da wurden zum Beispiel die großen Kaps viel stärker gefürchtet.
Die Legende um das „Teufelsdreieck“ begann erst während des Ersten Weltkrieges. Vorher war das Gebiet niemals groß aufgefallen. Im Februar 1918 verschwand die „USS Cyclops“ ohne jede Spur. An Bord des Kriegsschiffes befanden sich 306 Mann Besatzung. Zunächst wurden die Deutschen verdächtigt, eines ihrer neuen U-Boote eingesetzt zu haben, was diese aber abstritten. Danach wurde vermutet, das schwer beladene Schiff sei aufgrund eines Konstruktionsfehlers auseinandergebrochen. Da aber niemals Wrackteile gefunden wurden, konnte diese Theorie nicht bewiesen werden. So blieb das Verschwinden für immer ein Rätsel und wurde schließlich nicht mehr sonderlich beachtet.
Erst 1942 erinnerte man sich wieder an die USS Cyclops, als gleich zwei ihrer Schwesterschiffe, beide genauso schwer beladen, in dem gleichen Gebiet verschwanden. Da zu dieser Zeit der Zweite Weltkrieg tobte, wurden erneut die Deutschen für schuldig gehalten, die das Ganze jedoch widerlegen konnten. Normalerweise schmückt man sich mit solch fetter Beute. Aber auch, weil dieses Mal wieder keine Wrackteile gefunden wurden, glaubte man ihnen. Erneut stand man ohne Erklärung da. In diesem Moment war der Mythos um das gefährliche Gebiet südlich der Bermudas geboren.
Flug 19
Sicher wäre die ganzen Geschichte in Vergessenheit geraten, wenn es nicht bereits ein Jahr später den Vorfall um „Flug 19“ gegeben hätte. Im Dezember 1945 verschwanden gleich fünf Torpedo-Bomber der US Air Force bei einem regulären Trainingsflug. Kurz vor dem Verschwinden sollen sie noch Funksprüche abgesetzt haben, in denen von fehlerhaften Kompassen die Rede gewesen sein soll. In der anschließenden Suchaktion mit Schiffen und Flugbooten verschwand auch noch eines der Flugboote. Außer einigen Matrosen der Schiffe, die von Explosionsgeräuschen sprachen, und einer Öllache fand man keine Spur des Unglücks. Insgesamt starben 27 Menschen kurz vor Weihnachten 1945.
Keines der bis heute im Dreieck gefundenen Wrackteile stammten von Flug 19. Es gibt mittlerweile mehrere Thesen, die besagen, dass sich der Konvoi verflogen habe und im Golf von Mexiko abgestürzt sei. Belege gibt es dafür jedoch nicht. Stattdessen werden die Unfälle oft dem 3,9 Mio. Quadratkilometer großen Gebiet zwischen den Bermudas, Miami und der Stadt San Juan auf Puerto Rico zugeschrieben. Futter bekommt der Mythos des geheimnisvollen „Todesgebietes“ ausgerechnet von Steven Spielberg: In seinem 1978 erschienenen Film „Die unheimliche Begegnung der dritten Art“ werden die Flieger von Flug 19 von Aliens entführt und zu einem Flugplatz nach Mexiko gebracht. Dort findet man sie schließlich intakt in der Wüste, wie der Filmausschnitt zeigt:
Dichtung und Wahrheit über das Bermuda-Dreieck
Dass nach Flug 19 nahezu jedes Unglück in die mysteriöse Ecke geschoben wurde, zeigt der Absturz einer Passagiermaschine im Jahr 1948: Die DC-3 mit 37 Personen an Bord verschwand auf dem Flug von Puerto Rico nach Miami spurlos. Kurz zuvor soll der Pilot – und „soll“ bedeutet, es ist nicht belegt – in einem Funkspruch gemeldet haben, er sei etwa 50 Meilen südlich von Miami und könne bereits die Lichter der Stadt sehen.
Was dabei jedoch der Legende zuliebe gerne verheimlicht wird: Der Pilot Bob Linquist hatte schon beim Start in Puerto Rico bemerkt, dass sein Funkgerät nicht in Ordnung war. Es ist daher anzunehmen, dass er eine Meldung zur Änderung der Windrichtung nicht erhalten hat und sich somit zum Zeitpunkt seines Funkspruches rund 50 Meilen südlich des angenommenen Kurses wähnte. Die Aussage, er hätte die Lichter der Stadt bereits gesehen, wurden ihm erst später angedichtet.
Apropos angedichtet: Das Abtauchen des Tankers „Marine Sulphur Queen“, der 1963 beladen mit 15.000 Tonnen flüssigem Schwefel und 39 Personen an Bord verschwand, wurde auch dem Gebiet zugeschrieben. Der 20 Jahre alte Tanker sank jedoch westlich von Key West, also weit außerhalb des gefürchteten Dreiecks. Auch der japanische Frachter „Raifuku Maru“ soll laut Freunden der Legende zwischen 1924 und 1928 im Bermuda Dreieck gesunken sein. In Wahrheit verunglückte er jedoch am 21. April 1925 auf dem Weg von Boston nach Hamburg in einem Sturm vor Nova Scotia und somit fast 1.500 Kilometer nördlich der Bermudas.
Die Hysterie ging teilweise soweit, dass Vorfälle aus eher zweifelhaften Büchern wie „Invisible Residents“ von Ivan T. Sanderson (1970) für bare Münze genommen wurden. In dem völlig ernst gemeinten Buch wurde über Außerirdische berichtet, die auf dem Meeresgrund leben. Ein wichtiger Beweis für die mysteriösen Vorgänge sollte eine Boing 727 sein, die im Anflug auf Miami ganze zehn Minuten vom Radar verschwand, bevor sie urplötzlich wieder auftauchte und landete. Die Uhren der Piloten seien nach der Landung zehn Minuten nach gegangen, genau wie die Borduhr. Der Autor gab weder Quellen noch ein Datum noch Zeugenaussagen an. Er konnte diesen Vorfall niemals beweisen. Die Geschichte war einfach nur frei erfunden. Heute nennt man so etwas Fake News.
Naturphänomene?
Mythen ziehen Thesen an. Viele, die dem Aluhut näher stehen als der Wissenschaft, haben teilweise waghalsige Theorien rund um das Gebiet des Bermuda-Dreiecks kreiert. Von gigantischen Wellen, die sogar Flugzeuge vom Himmel holen, ist die Rede. Auch von bösen Monsterkraken und Methanblasen, die vom Meeresboden aufsteigen und ganze Schiffe verschlucken. Und wo Unerklärliches passiert, werden natürlich auch immer wieder mal Aliens rausgekramt. Spielberg sei Dank.
Naheliegende Gründe wie tropische Stürme und schwere See werden meistens außer Acht gelassen – sie passen einfach nicht in ein Gebiet, das Rätsel liefern soll. Immer wieder wird der Mythos Bermuda-Dreieck als Grund für Unglücke und rätselhafte Vorgänge ins Spiel gebracht. Ein Artikel in der BILD-Zeitung berichtete selbst im Jahr 2016 noch, dass „Experten“ vermuten, der „Monsterhai“ Megalodon, der seit Millionen von Jahren als ausgestorben gilt, habe sich im Bermuda-Dreieck „versteckt“. Überschrift: „Was macht der Urhai bei den Nazi-U-Booten?“ Das ist die volle Legenden-Keule.
Eine seriöse Quelle löst all diese Theorien jedoch in Luft auf: Der WWF hat in einer Studie aus dem Jahr 2013 die zehn gefährlichsten Gewässer der Erde aufgelistet. Das Bermuda-Dreieck gehört nicht dazu. Statistisch gesehen passiert dort nicht mehr als anderswo auch. Der Mythos Bermuda-Dreieck ist offensichtlich durch eine Verkettung unglücklicher Unfälle entstanden und wurde durch schlecht recherchierte Beiträge sowie von sensationshungrigen Journalisten in der Öffentlichkeit etabliert.
Donna und Forrest Sanco sind keine Opfer des Bermuda-Dreiecks. Ihr vermutlicher Unfall ist einer von 882 Flugzeugabstürzen, die seit 1945 in den USA registriert wurden. Angehörige sammeln derzeit auf einer Website Spenden für eine private Suchaktion.