Die Sonne steht prall am Himmel. Segelboote warten in den Sliplagern der Vereine, viele Motorboote liegen, frisch gekrant, fahrtklar an den Stegen der gewerblichen Marinas. Und doch beginnt die Boots- und Segelsaison in diesem Jahr nicht wie sonst. Das Corona-Virus zwingt zu Vorsichtsmaßnahmen und leben nach ungewohnten Vorschriften – also auch Segelvereine, Bootsbetriebe, Vercharterer und Wassersportler. So läuft es aktuell in Berlin und Brandenburg an und auf dem Wasser.
Segeln ist eine der kontaktärmsten Sportarten überhaupt, sagen die einen. Andererseits: Ist Motorbootfahren an sich überhaupt ein Sport? Entscheidend dafür, ob es zu Ostern aufs Wasser geht, ist aber auch, wo das Boot liegt – ob am Steg einer gewerblichen Marina oder an einem Vereinssteg.
Boot im Wasser, aber an der falschen Stelle
Obwohl die im Herbst eingewinterten Boote jetzt nach und nach ins Wasser gehen, bedeutet das nicht, dass Bootseigner an den Ostertagen auch ablegen können. Ist der Liegeplatz das eigene Grundstück oder eine gewerbliche Marina in Berlin, darf nach den Vorschriften des Berliner Senats das Boot benutzt werden.
„Da es sich hierbei um einen Gewerbebetrieb und nicht um Sportstätten handelt“, führt die Wasserschutzpolizei Berlin auf ihrer Website aus, ist das Bootfahren und Segeln möglich – mit der eigenen Familie oder zu zweit, mit einem Kumpel oder einer Freundin zum Zweck von „Sport und Bewegung an der frischen Luft“.

Wer in Brandenburg das Gleiche macht, bewegt sich auf unsicherem Terrain. Hier gilt: „Bootfahren ist nicht grundsätzlich verboten, solange Kontakte zu anderen Menschen außerhalb des eigenen Hausstandes vermieden werden.“ Doch ob gewerblichen Marinas, zumindest unter Corona-Aspekten, Sportstätten gleichgestellt sind und damit geschlossen, darüber gibt es offiziell nur schwer Auskunft.
Und so macht jeder seins: Hafenbetreiber Frank Ringel aus Werder bringt die Boote seiner Dauerlieger zurzeit aufs Wasser. Aufs Boot dürfen seine Kunden aber nicht. Ein Marina-Betreiber auf der anderen Seite des Sees hat einen detaillierten Stundenplan für die Bootslieger aufgestellt, damit sich die Eigner bei ihrer ersten Frühlingsfahrt nicht auf dem Steg in die Quere kommen. Glück gehabt, unvernünftig gewesen: Denn eigentlich sollen wir zu Hause bleiben.
Segler-Verband setzt auf Geduld und Solidarität
Wer vom Steg eines der 110 Berliner Segelvereine aus aufs Wasser gehen möchte, guckt dagegen ins Röhricht. Segeln ist Sport, und Sportstätten sind in Berlin zurzeit geschlossen. Nicht alle wollten das glauben: Je wärmer es in den letzten Wochen wurde, desto mehr Anrufe und Mails gab es bei der Geschäftsstelle des Berliner Segler-Verbands.

Verbandssprecher Max-Leopold Käther stellte gegenüber der Berliner Zeitung klar: „Niemand stellt die Maßnahmen an sich in Frage. Aber einige sind der Ansicht, dass man nicht alle über einen Kamm scheren könne. Denn viele würden nur allein oder mit Familie segeln wollen und müssten dazu nur wenige Meter zum Steg gehen.“
Doch beim zuvor anstehenden Aufriggen und Abslippen der Boote wird es schwierig: Die Abstandsregeln durchzusetzen, ist auch bei geschlossenen Klos und Vereinsheimen kaum möglich. „Slippen ist eigentlich eine Gemeinschaftsleistung. Die Abstandsregelungen sind nur bei wenigen Vereinen problemlos einzuhalten“, so Käther gegenüber float.
Theoretisch legal mit dem Minicat
Den Vorständen wäre dabei die Rolle des Hilfssheriffs zugefallen. Doch die Behörden haben doppelt vorgesorgt: Die Sportämter in Tegel und in Treptow haben die Vereine angewiesen, dass die Vereinsgelände geschlossen bleiben müssen.
Wer vom eigenen Steg aus segelt oder mit einem transportablen Boot einen öffentlichen Slip benutzt, darf theoretisch segeln. Reiner Quandt, der Präsident des Berliner Segler-Verbands, sieht das kritisch: „Wir appellieren an die Vernunft und auch an Solidarität mit anderen Seglern, auch selbst einmal zurückzustellen, wenn andere nicht segeln können.“
Unklar ist, was erlaubt ist
Bootsvermieter treffen die Regelungen zum Schutz vor der Corona-Ausbreitung besonders stark. Wer verchartert, kann den Betrieb nicht öffnen und Boote verleihen – in Bayern nicht, im Norden nicht und offenbar auch nicht im Land Bandenburg.

Dem Werderaner Bootsvermieter Guido Krüger, der neben SUPs und Tretbooten auch Flöße und Kajütboote verleiht, kassierte vom örtlichen Ordnungsamt das Verbot, Boote in der Tagesleihe zu vermieten. Auf telefonische Nachfrage beim Landkreis Potsdam erhielt Krüger die Auskunft, die Vermietung ohne Übernachtung sei erlaubt. Nur: „Schriftlich möchte das keiner bestätigen.“ so Guido Krüger. Ganz so stimmt das nicht.
denn das Land Brandenberg hat dazu gerade eine Erklärung veröffentlicht. „Der Verleih von Booten ist ausschließlich zur Bewegung an der frischen Luft zulässig“, heißt es vom Koordinierungszentrum Krisenmanagement Brandenburg, „nicht für touristische Zwecke wie das Übernachten“.
Die Tagesverleihe ist also erlaubt, wenn die Stadt nichts dagegen hat. Und wenn man die Regeln der Corona-Eindämmungsverordnung einhält. Auf ein heißes Wochenende mit vielen Kontrollen und Appellen an die Vernunft können sich die Wasserschutzpolizei und die Ordnungsämter jetzt schon einstellen.

Boots-Charter nur für Familien?
Und die Vercharterer, die ihre Boote für mehrere Tage vermieten? Für das Land Brandenburg gilt: Seit Mitte März dürfen Übernachtungsangebote nur zu notwendigen Zwecken und nicht zu touristischen Zwecken genutzt werden. „Dass diese Regelung für das Hotelgewerbe und Ferienwohnungen anzuwenden sind, ist aufgrund der gewollten Kontakteinschränkungen nachvollziehbar und auch gut“, sagt Bennet Seidel von Yachtcharter Werder.
Sein Unternehmen verchartert Familien-Motoryachten für Wochentörns und Mehrtagetouren. Meist seien es Familien, die hier buchen. „Warum diese Regeln aber auch für die Bootsvermietung und Yachtcharter gelten soll, ist nicht nachvollziehbar.“ Denn, so Seidel, einen kontaktärmeren Bereich als auf einem Schiff gebe es derzeit wohl nicht.
Ähnlich sieht das Uwe Seibt, der bei der Industrie- und Handelskammer Potsdam die Interessen des Tourismus und Gastgewerbes vertritt. „Die Branche gehört gerade in Brandenburg zu den stark Betroffenen. Da denken wir natürlich darüber nach, wie ein Wiedereinstieg in den Tourismus in Brandenburg gelingen kann. Gerade im Wassertourismus sehen wir da große Chancen. Das Thema Urlaub in der Natur, Urlaub auf dem Wasser eignet sich optimal als sanfter Einstieg.“

Um trotz der Corona-Regeln vermieten zu dürfen, bietet der Werderaner Unternehmer die Desinfektion seiner Charterschiffe und Ausweiskontrollen an, um zu prüfen, ob alle Bordgäste in einem Haushalt leben. „Übergaben und Rücknahmen der Schiffe können zu zweit – ein Mitarbeiter von uns und der Skipper – realisiert werden. Aufgrund der Größe der Schiffe kann immer ein Mindestabstand von zwei Metern eingehalten werden.“ Bisher ist das nicht erlaubt.
Bootsverleih in Berlin – erlaubt, aber einträglich?
In Berlin war es am vergangenen Wochenende möglich, ein Boot zu mieten, und so wird es am kommenden Osterwochenende wieder sein. „Auch in dieser schweren Zeit haben wir für euch geöffnet“, heißt es bei einem Motorboot-Vermieter nahe dem Müggelsee: „Nutzt die Abgeschiedenheit und Freiheit auf dem Wasser.“
Nur zwei Personen oder alle Personen aus einem Hausstand pro Boot sind erlaubt, kontrolliert werde das durch einen gültigen Ausweis, heißt es auf der Website des Bootsvermieters, die schon jetzt einen sehr guten Buchungsstand zeigt.

Den amtlichen vorgeschriebenen Aufwand, die stunden- oder halbtageweise vermieteten Boot nach jedem Einsatz zu desinfizieren, betreibt der Anbieter Spreeboote in der Marina Hafen und Hof gegenüber dem Treptower Park nicht. „Wir haben trotz des schönen Wetters den Saisonstart verschoben“, sagt Hafenmeister Valerian Dahmen, „denn der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Ertrag.“ Man warte vorerst ab: „In zwei Wochen wird man genauer wissen, in welche Richtung es geht.“
Geslippt wird in der Marina nahe dem Rummelsburger See zurzeit jedoch reichlich. „Allein heute gehen fünf Boote zu Wasser“, sagt Dahmen. Offen steht das Gelände, das neben dem Bootsverleih normalerweise auch eine Gastronomie mit Lounge direkt am Wasser beherbergt, jedoch nur für die Bootseigner – unter den strikten Auflagen der für Berlin geltenden Regeln.
Die Wassersportbranche organisiert sich
„Das ist Berlin etwas anderes gilt als in Brandenburg, ist mehr als unbefriedigend für die Wassersport- und Tourismusbranche“, erklärt Daniel Barkowski, Projektleiter der Bootsmesse Boot & Fun Berlin immer im November und deren Inwater-Ableger in Werder, die für Ende August in der Marina Havelauen angekündigt ist.

Als Co-Vorsitzender der Interessenvereinigung Werder Maritim e. V. ist er daran interessiert, dass die Gewerbetreibenden im Zentrum der brandenburgischen Bootsbranche Klarheit haben. Das Netzwerk steht: Im Austausch beim Berliner Wirtschaftsverband Wassersport e. V., den Werderanern freundschaftlich verbunden, tauschen sich die Unternehmer aus beiden Bundesländern aus – mit WhatsApp, Zoom und Telefon.
Die regionale Bootsbranche selbst steht stabil da: Der Handel mit Booten ist nicht komplett zum Erliegen gekommen. Mit virtuellen Rundgängen machen ihre Ausstellungshalle auch übers Internet begehbar, so wie Kielwasser Boote aus Werder.
Auch der Bootsbau in Deutschland läuft weiter: Die aktuelle Produktion läuft rund, so auch bei Frank Schaper in Werder. Hinter geschlossenen Türen wird bei der Bootsmanufaktur B1 Aqualine weiter gebaut. Die häufigsten Fragen der Kunden dabei: Seid ihr gesund, bekommt ihr alle Teile, wird das Boot planmäßig fertig?

Die beiden großen Wirtschaftsverbände im Boots- und Wassersport – der Bundesverband Wassersport-Wirtschaft und der Deutsche Boots- und Schiffbauer-Verband – werben schon jetzt für Lockerungen.
So fordern die beiden großen Verbände, dass „Sportboothäfen geöffnet werden, Boote auch von Privatleuten über Land und über Wasser in die Häfen verbracht und zu Wasser gelassen werden dürfen und Übernachtungen auf Privatbooten gestattet werden“.
Statt Boot fahren Radfahren
Dass es bei alledem nicht um Feinheiten amtlicher Regelauslegungen geht, sondern um notwendige Zumutungen, erklären Brandenburgs Infrastrukturminister Guido Beermann und Innenminister Michael Stübgen. Ihr Appell zwei Tage vor Beginn der Osterfeiertage an die Brandenburger und Berliner ist, sich weiterhin an die Eindämmungsverordnung zu halten.

Noch einmal zum Mitsprechen: Bootfahren ist als „Sport und Bewegung an der frischen Luft“ nicht verboten. Aber auch dabei gelten die bekannten Einschränkungen: Sport und Bewegung auf dem Wasser ist nur alleine, mit einer weiteren Person oder mit dem eigenen Hausstand möglich.
Und diese Corona-Regeln gelten, zunächst bis zum 19. April, auch für die Nutzung von Wasserstraßen und anderen Gewässern – im Land Brandenburg. „Damit ist die Nutzung von Marinas, Bootsvereinen, Häfen, Wassertankstellen, Werften, Schleusen und anderen Einrichtungen nicht oder nur eingeschränkt möglich“, heißt es in der gestern veröffentlichten Erklärung.

Innenminister Michael Stübgen zeigte Verständnis, dass es gerade bei dem schönen Wetter viele Menschen aufs Wasser ziehe. „Ich bin selber passionierter Segler und mache normalerweise zu dieser Jahreszeit mein Boot seeklar und fahre die ersten Schläge der Saison. Dieses Jahr werde ich darauf verzichten.“ Er werde stattdessen ein wenig Radfahren – bei sich in der Umgebung.
Ein Kommentar
[…] Wann geht’s wieder aufs Wasser? Corona hat den Start der Boots- und Segelsaison gestoppt. Was machen Segelvereine und Unternehmen damit jetzt? Die Sonne steht prall am Himmel. Segelboote warten in den Sliplagern der Vereine, viele Motorboote liegen, frisch gekrant, fahrtklar an den Stegen der gewerblichen Marinas. Und doch beginnt die Boots- und Segelsaison in diesem Jahr nicht wie sonst. Das Corona-Virus zwingt zu Vorsichtsmaßnahmen und leben nach ungewohnten Vorschriften – also auch Segelvereine, Bootsbetriebe, Vercharterer und Wassersportler. So läuft es aktuell in Berlin und Brandenburg an und auf dem Wasser. … […]