Da sage noch einer, Kreuzfahrten wären unverantwortlicher Hedonismus. Kreuzfahrtpassagiere können sehr wohl als Bürgerforscher den Profiwissenschaftlern bei der Erfassung der Weltökoprobleme zur Hand gehen.
Das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung hat seit 2016 Arktis-Touristen gebeten, an den Stränden von Spitzbergen Müll einzusammeln. Nach fünf Jahren wurde die Ausbeute auf ihre Herkunft hin vom Institut untersucht, das Ergebnis Anfang Februar 2023 im Fachmagazin Frontiers präsentiert.

Damit ergänzen die Wissenschaftler ihre Studie vom Frühjahr 2022, in der sie die Menge des Plastikmülls in der Arktis taxiert hatten und zu einem alarmierenden Ergebnis kamen: „Unsere Studie zeigt, dass die Plastikverschmutzung in der Arktis bereits ähnlich hoch ist wie in anderen Regionen der Welt“, resümierte AWI-Biologin Melanie Bergmann.

Negativ-Europameister Deutschland
Bei der Citizen-Science-Aktion zur Provenienz-Forschung kamen 23.000 Teile Müll zusammen. 80 Prozent davon bestehen aus Plastik, den Großteil verantwortet die Fischerei. Daneben stammt der Plastikmüll aus unterschiedlichsten Quellen: „Von Schiffen und aus arktischen Siedlungen gelangt lokal Plastikmüll ins Meer. Aus der Ferne wird Plastikmüll und Mikroplastik über zahlreiche Flüsse und über Ozeanströmungen aus dem Atlantik, der Nordsee und dem Nordpazifik in den Arktischen Ozean transportiert“, erläutert Anna Natalie Meyer vom AWI.

Bei einem Prozent des Mülls ließ sich eine Herkunftsbeschriftung finden. Anrainerstaaten wie Russland und Norwegen führen die traurige Statistik an. Aber neben China, Brasilien oder den USA ist auch Deutschland signifikant an der Verschmutzung beteiligt. Von dem einem Prozent lassen sich acht Prozent auf deutschen Ursprung zurückverfolgen. „Vor dem Hintergrund, dass Deutschland Europameister sowohl in der Plastik-Produktion als auch in Müllexporten ist, erscheint dieser verhältnismäßig hohe Beitrag weniger verwunderlich“, sagt Melanie Bergmann.
Teufelszeug Mikroplastik

Die Studie des Alfred Wegener Instituts schließt mit einem Appell an die globale Politik: „Um das Problem wirkungsvoll anzugehen, muss nicht nur das Abfallmanagement vor Ort – insbesondere auf Schiffen und in der Fischerei – verbessert werden. Mindestens genauso wichtig ist die massive Reduktion der globalen Plastikproduktion, insbesondere in den Industrienationen Europas, Nordamerikas und Asiens, da etwa elf Prozent der Plastikproduktion in unsere Gewässer gelangen. Das unterstreicht einmal mehr die Dringlichkeit für ein ambitioniertes und rechtsverbindliches UN-Plastik-Abkommen, das aktuell verhandelt wird und 2024 in Kraft treten soll.“