Was für ein Finale: Als der historische Viermaster Peking mittags an der Unterelbe losmacht, folgen ihr schnell Dutzende von Booten. Kurz vor dem Villenvorort Blankenese ist es bereits eine kleine Flotte, dazu Ruderer und Tretbootfahrer in Ufernähe.
In Hamburg schließlich gibt es lautstarken Empfang für den Rahsegler: Viele Schiffe begrüßen die alte Viermastbark, die nach Jahrzehnten im Exil aus New York heimgekehrt ist, mit dem Typhon. Es ist eine Stimmung wie auf dem Dom, dem traditionellen Hamburger Volksfest.
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Im Segelboot begleitet Tommy Loewe die Peking © Tommy Loewe
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Es wird immer enger, je näher die Peking dem Hamburger Hafen kommt © Tommy Loewe
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Lotsenboote begleiten die Peking in den Hafen © Tommy Loewe
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Im kabbeligen Elbewasser ist manchmal kein Rankommen © Tommy Loewe
Zwischen zwei Schleppern passiert der historische Viermaster auch seinen Ursprungsort: die Werft von Blohm & Voss. Hier wurde die Peking vor 112 Jahren gebaut – im Schatten der gewaltigen Trockendocks, die bald umgestaltet werden sollen, wirkt das Schiff heute fast so klein wie ein Spielzeug. Doch wer sich dem 115 Meter langen Stahlrumpf nähert, ist von den gewaltigen Dimensionen des einstigen Frachtseglers überwältigt.
Begehbares Zeugnis
Die Peking ist erkennbar das größte Exponat des Hamburger Hafenmuseums, das 2023 in einem Neubau eröffnen soll: als begehbares Freiluft-Zeugnis der Schifffahrtsgeschichte in Deutschlands größtem Hafen.

Der stolze Windjammer stellt buchstäblich den Höhepunkt einer Epoche dar, die mit ihr auch schon zu Ende ging: die der stählernen Rahsegler, deren Masten bis an die Wolken stießen und deren riesige Rümpfe erst bei Starkwind so richtig in Fahrt kommen. Größer als die Peking und eine Handvoll weiterer Schiffe hat man niemals mehr gebaut.
Laura Lühnenschloß erklärt, warum das so ist: Die stellvertretende technische Leiterin des Museumsschiffes Peking war bereits als Vorarbeiterin bei der Takelung der Peking dabei. Zu ihren Aufgaben gehörten auch das Spleißen und Bekleeden, bei dem die Stahlseile mit Tüchern, Labsal und geteertem Hüsing-Garn umwickelt werden, um sie vor Rost zu schützen.

Ein autarkes System
„Ein Segelschiff ist ein autarkes System“, sagt sie. Bei Sturm auf hoher See, Tausende Seemeile von Land entfernt, musste – und muss auch heute noch – die Besatzung in der Lage sein, Schäden jederzeit ohne fremde Hilfe instand zu setzen. „Daher haben die Drähte eine Dimension, die man gerade noch an Bord bearbeiten kann.“
Lühnenschloss war jahrelang als festes Crewmitglied auf den Traditions-Großseglern „Thor Heyerdahl“ und „Eye of the Wind“ unterwegs. Sie ist mit der Arbeit auf Dickschiffen also mehr als vertraut. Auch wenn die Trossen, die Masten und Rahen der Peking halten, noch zwei Nummern größer sind.
Die stärksten erreichen mit vier Zentimetern mehr als Fingerdicke. Insgesamt sind fast 15 Kilometer Drahtseil in dem riesigen Spinnennetz verbaut, das die Peking erst zu dem macht, was sie ist: ein Segelschiff.

Kaum Pläne erhalten
Konstruiert hat das alles die Holländerin Marijke de Jong. Sie musste fast noch einmal von vorn anfangen: Vom originalen Segelplan existieren nur noch sechs Detailzeichnungen der Werft Blohm & Voss. Der Rest ist bei der Sturmflut von 1962 – auch ein Stück Hamburger Geschichte – unwiederbringlich verloren gegangen.
So baute Marijke auch die Brasswinschen nach – historische Seilwinden, mit denen das An-den-Wind-Bringen der riesigen Rahsegel an tonnenschweren Rahen auch einer kleinen Mannschaft erst Ende des 19. Jahrhunderts möglich war.
Durch diese Entwicklung ließ sich damals Personal einsparen. Ein wichtiger Kostenfaktor im Wettbewerb mit den Dampfschiffen, die die Peking und ihre Schwestern erst in den 1930er-Jahren endgültig vom Markt verdrängten.

Ingenieurin mit Boot
Ihrer neuen Aufgabe stellte sich Marijke mit hoher Motivation. Sie wohnte während der Bauzeit sogar mit ihrem Projekt Wand an Wand: Die Ingenieurin machte ihr eigenes Schiff, gemeinsame Heimat von ihr und ihrem Hund Tessi, monatelang neben der Peking fest. So hatte sie den kürzesten Weg zur Arbeit.
Ihr Resümee über die Herkulesaufgabe: „Die Takelage eines Schiffes ist ein organisches System. Was die Crew an einem Ort tut, wirkt sich auf einen anderen aus. Alles muss perfekt zusammenpassen. Erst Im Einsatz beim Segeln wird klar, ob dies erreicht wurde.“
Ob die Mühen von Marijke und zwei Dutzend weiterer Fachkräfte sich gelohnt haben, bleibt allerdings bis auf Weiteres offen: Die Peking ist gekommen, um zu bleiben. Sie hat keine Zulassung für Fahrten, weder unter Segeln noch unter Motor. Sonst wären die Instandsetzungskosten, mit 120 Millionen weit unter denen des Segelschiffs Gorch Fock, erheblich höher gewesen.
Aber in Hamburg warten neue Aufgaben auf sie! Welche ist die wichtigste?
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