„Good morning, cruisers!“, tönt es jeden Morgen um 7.30 Uhr über Kanal 66. Gesendet wird der verbale Newsletter für Langfahrtsegler auf Grenada meist von einem Segelschiff in der Woburn Bay, einem beliebten Ankerplatz im Süden der Insel. Über Verstärker an Land können sich Segler entlang der gesamten Südküste bis hin zur Marina Port Louis in der Hauptstadt St. George’s im sogenannten „Cruisers Net“ miteinander kurzschließen.
Das morgendliche Briefing beginnt mit einem detaillierten Wetterbericht. Dann haben Unternehmen und Gastronomie die Möglichkeit, besondere Events und Angebote vorzustellen. Eine Marktfrau teilt mit, welche Buchten sie mit ihrem Van abklappert. John, ein Einheimischer, nimmt Einkaufslisten für Getränke entgegen, sammelt leere Benzinkanister, Gas- und Kohlesäureflaschen ein und bringt sie zwei Tage später wieder zurück – gegen einen kleinen Obolus. Neuankömmlinge stellen sich der Community vor, Weiterreisende verabschieden sich.
Kernstück des morgendlichen Briefings sind aber die Fragen, die jeder stellen kann. Manche sind auf der Suche nach einem bestimmten Ersatzteil, andere nach einem guten Handwerker. Der eine sucht einen Arzt, der andere einen Bankautomaten oder ein klimatisiertes Restaurant. Keine Frage bleibt unbeantwortet. Wer ein Problem hat, der findet Hilfe. Sei es durch Ratschläge oder helfende Hände.
Bestens vernetzt
Die Community der Langfahrtsegler ist wohl an keinem Ort der Karibik so gut vernetzt wie hier, wenn es auch an anderen Liegeplätzen wie vor der mexikanischen Isla Mujeres ein Cruisers Net gibt. Das hat einen Grund. Auf Grenada verbringen viele Segler die karibischen Sommermonate. Manche versacken hier auch, bleiben Jahre. Oder ewig. Und so hat sich eine einzigartige Infrastruktur für Langfahrtsegler auf der Insel entwickelt – mit Tauschbörsen, Second-Hand-Märkten am Strand, gemeinsamen Aktivitäten wie Wandern oder einfach nur Einkaufsfahrten in die Hauptstadt.

Manche Buchten sind nur schwer zu erreichen, weshalb Busfahrten organisiert werden. Auch engagieren sich die Segler sozial. Sie reinigen Strände, bringen in den Sommerferien einheimischen Kindern das Schwimmen bei, unterstützen das Tierheim und haben eine Art Tafel für Hilfsbedürftige gegründet.
Während die meisten karibischen Inseln während der Hurrikansaison, die in etwa der Regenzeit gleichkommt, aus Seglersicht in eine Art Dornröschenschlaf fallen, lebt Grenada. Offiziell beginnt die Hurrikansaison Anfang Juni und endet erst Ende November. Und so zieht jedes Jahr bereits im Frühsommer eine Karawane aus Segelbooten Richtung Süden – auch wenn 84 Prozent der benannten Tropenstürme und Hurrikans erst zwischen August und Oktober auftreten. Im Schnitt sind es 14 pro Saison auf dem Atlantik. Der Höhepunkt der Hurrikansaison liegt statistisch Mitte September.
Die Buchten im Süden der Insel sind rappelvoll – auch wenn es viele von ihnen gibt. Lediglich der Schwell treibt bei südlichen Winden manchen Segler in den Wahnsinn. Abends, wenn die Ankerlaternen schimmern, erinnern die Buchten an einen ruhigen Sternenhimmel. Und bei Schwell an die wilden Lichter einer Kirmes.
Yachten im Landschlaf
In vielen Buchten gibt es mittlerweile auch sogenannte Marinas. Meist sind sie aber nicht mehr als ein kleiner Arbeitssteg für eine Handvoll Boote, kombiniert mit einem großen Areal für Trockenlieger. Denn ein Großteil der Langfahrtsegler zieht es vor, den schwülwarmen Sommer nicht auf dem Boot, sondern in der Heimat zu verbringen.

Und so stehen an der Südküste Grenadas hunderte, wenn nicht tausende Yachten an Land, geschützt durch Zäune und Security, sicher vertäut gegen Sturm. Um die Marinas herum haben sich viele Gewerke angesiedelt. Rigger, Techniker, Mechaniker und Bootsbauer, die sich um die Schiffe kümmern – und sie für die kommende Saison vorbereiten. Auch gut sortierte Bootsausrüster gibt es auf der Insel.
Grenada ist nicht günstig. Denn die Liegeplätze an Land oder an einer Boje sind heiß begehrt. Ankerlieger müssen sich meist mit dem schwelligen Außenbereich begnügen. Für eine Arbeitsstunde verlangen die Handwerker gerne mal 60 bis 90 US-Dollar. Bojen gibt es ab knapp 300 US-Dollar im Monat, eine Nacht an einem der Arbeitsstege in den Marinas schlägt mit 40 US-Dollar auf die Bordkasse. Die Landliegeplätze richten sich natürlich nach Größe des Bootes. Einzig das Ein- und Auskranen scheint vergleichsweise günstig. Für ein 42-Fuß-Boot liegt die Dienstleistung bei rund 250 Euro.
Benannte Stürme
Aber Grenada hat auch ein Manko. Offiziell liegt die Insel noch im Hurrikangürtel. Das heißt, die meisten Versicherer decken Schäden durch benannte Stürme in diesem Bereich nicht ab. „Verluste und/oder Beschädigungen, die durch benannte tropische Stürme zwischen 10° Nord und 37° Nord verursacht werden“, so steht es vielen Verträgen, werden nicht gedeckt. Ein benannter tropischer Sturm ist definiert als tropischer Zyklon, Hurrikan oder Taifun, welcher einen Namen vom „National Hurricane Center“, „Australian Bureau of Meteorology“ oder einer ähnlichen Organisation, die als Beratungs- und Warnzentrale der World Meteorological Organization (WMO) gilt, erhalten hat.

Viele Segler, auch wir auf der Dilly-Dally, gehen das Risiko aber ein. Denn es gibt kaum Alternativen in der Karibik. Wer nach Norden ausweichen will, der muss bis weit in die USA hochfahren. Als deutsch-türkische Crew hätten wir bereits bei den Visa eine erste hohe Hürde. Und im Süden? Trinidad und Tobago, etwa 80 Seemeilen von Grenada entfernt, haben sich in den vergangenen Jahren einen exzellenten Ruf in der Segelcommunity erarbeitet, um das Boot dort aus dem Wasser zu heben und Arbeiten zu erledigen, die deutlich günstiger sind als im Rest der Karibik.