Schleusenwärter müsste man sein
Auf die Schleusenwärter musste man nicht lange warten: Schon kurz nach dem Hilferuf von der Mecklenburgischen Seenplatte gingen die Bewerbungen ein – auch float hatte sich am Aufruf beteiligt. Nun steht genügend Aushilfspersonal bereit, so dass der Betrieb von sechs Schleusen zwischen Müritz und Berlin im Sommer gesichert ist. Rekrutierung und Ausbildung durch das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt organisiert Kuhnle-Tours, einer der größten Hausboot-Vercharterer Deutschlands mit Sitz in Rechlin/Müritz.
Ab heute kann also der intensive Sommer-Verkehr an den sechs Schleusen Strasen, Canow, Diemitz, Mirow, Steinhavel und Wesenberg wie vorgesehen von 7 bis 21 Uhr abgefertigt werden. Denn das war die Schwierigkeit: In den Sommermonaten, wenn Tausende von Charterskippern und Privatbooten zwischen Müritz und der Hauptstadt unterwegs sind, müssen zwei Schichten die Stationen bedienen.
Für die zweite Schicht von 15.30 Uhr bis 21 Uhr hatte das zuständige Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) nicht ausreichend Personal zur Stelle. Wäre Kuhnle-Tours mit seiner privaten Rekrutierungsaktion nicht in die Bresche gesprungen, hätte der Betrieb nur von 9 bis 18 Uhr stattgefunden. In der Hochsaison würde diese Zeitspanne jedoch nicht ausreichen, um den zu erwartenden Bootsbetrieb abzufertigen. So kam es zu dieser ungewöhnlichen Public-Private-Partnership zwischen WSA und Charterfirma.
Deutschlands meistbefahrene Schleusen
Vier von den sechs Schleusen liegen an der Müritz-Havel-Wasserstraße und sind die meistbefahrenen Deutschlands. Allein die Schleuse Diemitz fertigt im Schnitt 40.000 Boote jährlich ab und ist damit die verkehrsreichste im gesamten Abschnitt Ost. Hier stauen sich im Sommer allein zu Mittag, wenn der Schleusenwärter eine halbe Stunde Pause macht, gut 20 Boote.

Und die Pause ist auch nötig … Denn dass die Arbeit am Wasser-Tor mehr ist als nur ein launiger Ferienjob, hat auch Dagmar Kuhnle schnell erfahren. Die Ehefrau vom Firmengründer Harald Kuhnle nahm selbst an der Qualifikation teil und wird in den Sommermonaten an einer der Schleusen Dienst tun. „Am ersten Praxis-Tag war ich abends ehrlich müde“, sagt die 57-Jährige. Ein Tag an der frischen Luft mit viel Bewegung, und ganz viel Neues zum Lernen. Vor allem die Verantwortung für ein Wasserbauwerk, das natürlich bei falscher Bedienung auch Schaden nehmen kann. Kuhnle: „Kein Hexenwerk, aber auch kein Job, bei dem man seine Gedanken woanders haben kann.“
Die Aufgabe hat durchaus mehr Facetten, als nur im richtigen Moment aufs Knöpfchen zu drücken: „Wenn nichts los ist, musst du immer ein Auge auf die beiden einsehbaren Enden des Kanals haben, wo Kundschaft nahen kann.“ Ist die Kundschaft da, zum Beispiel für eine Aufwärtsschleusung, muss das Tor aufgemacht werden. „Dann lasse ich die reinfahren und sage ihnen, wo in der Schleusenkammer sie hingehören.“ Merke: Nicht zu weit vorn, weil da die „Schützen“ genannten Fluttore einmünden. Die Rohre haben immerhin 1,20 Meter Durchmesser. Sind sie fürs Aufwärts-Schleusen geöffnet, „gibt’s Wasser-Ballett“. Mit anderen Worten: Das einströmende Wasser verursacht einen kräftigen Jakuzzi. Da halten insbesondere Kanuten besser respektvollen Abstand.
Im Sommer gibt es täglich ein Malheur
Aber das Fluten passiert erst später. Haben sich alle sortiert in der Schleusenkammer, macht die Aufsichtskraft das Untertor zu und muss die 50 Meter zum anderen Ende marschieren. „Dabei werfe ich einen Blick in die Kammer, ob alle gut vorbereitet sind und keinen Quatsch machen.“ Das bedeutet vor allem: richtig festgemacht, nämlich nicht belegt! Es liest sich wie ein Kalauer, aber regelmäßig machen Freizeitskipper ihre Kähne aus Gewohnheit richtig fest – und bleiben dann entweder bei fallendem Wasserstand am Rand hängen oder riskieren bei steigendem, in der Schleusenkammer unter Wasser und damit in Seenot zu geraten. „Es ist ja noch kein Meister vom Himmel gefallen.“

An Dagmar Kuhnles erstem Schleusentag ist zum Glück nichts derartiges passiert – aber ihre hauptberuflichen Schleusenwärter-Ausbilder hätten bei der Schulung durchblicken lassen, dass „in der Hauptsaison täglich einer Murks macht“. Dann muss Not-Aus betätigt werden. Und natürlich ist Hilfestellung für die geschockte Kundschaft in der Schleusenkammer zu leisten. Hier zeige sich, dass die Person am Schaltpult weit mehr ist als bloß ein maritimer Pförtner oder Hausmeister. „Du betreust die Leute, gibst ihnen Tipps, auch zur Umgebung, weist auch hier und da mal jemanden freundlich zurecht.“