Trügerische Sicherheit im Hurricane Hole
Jahrzehntelang galten die Revierführer von Don Street als Standardwerk für Karibik-Segler. Mehr als 50 Jahre segelte der irische Kartograph und Autor durch die Inselwelt der Kleinen und Großen Antillen, er beobachtete, sprach mit Einheimischen und Fischern, vermaß Buchten und beschrieb seine Erfahrungen auf See – auch während der Hurrikansaison. Sein erster Törnführer erschien 1965, viele weitere sollten folgen.
Street war ein Liveaboard. Er lebte ganzjährig auf seinem Boot und wetterte einen um den anderen Tropensturm ab. Deshalb widmete er den sogenannten „Hurricane Holes“ (zu deutsch: Hurrikan-Löcher) große Beachtung. Das sind meist Buchten mit Mangroven, die teils seit Jahrhunderten als sichere Häfen galten – auch bei Wirbelstürmen. Doch 1989 änderte Street plötzlich seine Ansicht über deren Sicherheit. Und das hatte nicht unmittelbar mit dem Wetter zu tun.
Streets Hurrikan-Empfehlungen gehören bis heute zum Basiswissen eines jeden Seglers in der Karibik: „Suchen Sie eine geschlossene Bucht mit einem schmalen Eingang, der den Wellengang abhält. Suchen Sie einen Platz am Ende der Bucht, setzen Sie zwei oder mehrere Anker am Heck mit viel Kette oder Leine, fahren Sie dann so weit es geht in die Mangroven und befestigen möglichst viele Leinen in den Ästen. Die Mangroven haben starke Wurzeln. Oder suchen Sie ein Hurricane Hole, das so gut geschützt ist, dass Sie vor Anker liegen können.“
Überfüllte Löcher
Street kartografierte alle als Hurricane Holes bekannten Buchten in der Karibik. Und das sind gar nicht mal wenige. Gorda Sound (Virgin Gorda), Simpson Bay (St. Martin), English Harbour (Antigua), die Flüsse an der Nordküste auf Terre Haute und Terre Basse (Guadeloupe), Le Marin (Martinique), Marigot Bay (St. Lucia) und etliche andere. Orte, die er für sicher hielt.

Vor allem aber empfahl er die Ensenada Honda auf Culebra, auf halbem Weg zwischen St. Thomas und Puerto Rico.
Jahrzehntelang genoss die Bucht einen unübertroffenen Ruf, galt als das sicherste Hurricane Hole der Karibik. Dann kam „Hugo“ im Jahr 1989. Etwa 200 Boote waren vor dem Hurrikan nach Culebra geflüchtet. Als der Sturm vorübergezogen war, in Böen mit bis zu 120 Knoten, waren mehr als 130 Boote gesunken oder demoliert. Der Ruf von Culebra hatte Kratzer bekommen. Street schrieb in einem Essay mit dem Titel „Reflections on Hugo“: „So etwas wie ein Hurricane Hole gibt es in der östlichen Karibik nicht mehr.“ Nicht, weil die Hurrikans an Intensität zugenommen hatten. Sondern aus einem ganz anderen Grund: „Sie sind alle zu überfüllt“, schrieb Street.
Boote gefährden Boote
Er sollte Recht behalten: Weil die Karibik immer mehr Segler anlockt, werden die Hurrikan-Löcher mit immer mehr Booten vollgestopft. 1995 zog „Luis“ über die Karibik und zerstörte bereits 900 Boote. In der Tat geht heutzutage eine große Gefahr nicht nur von den starken Stürmen aus, sondern von hunderten Booten auf kleinem Raum, viele von ihnen unbewohnt, zurückgelassen vor Anker oder an einer Boje vertäut. Einmal losgerissen, werden sie zu einer unberechenbaren Gefahr für andere Boote.

Die Hurricane Holes in der Karibik ähneln einem überfüllten Campingplatz in den Sommerferien. Ein bisschen ist es wie mit den Liegen am Pool. Wer einen Platz in der ersten Reihe haben will, der muss früh aufstehen, weshalb sich bereits ab Mai viele dieser Buchten mit Segelbooten füllen.
Das sorgt vor allem bei den einheimischen Fischern für Unmut, die hier ebenfalls ihre kleinen und großen Kähne, die Grundlage ihrer kargen Existenz, vor den Stürmen in Sicherheit bringen.
Tsunami-Warnung versetzt Segler in Schrecken
Es ist wieder mal einer dieser kitschig schönen Sonnenuntergänge in der Karibik. An Steuerbord hängen ein paar vereinzelte Wolken in den grünen Hügeln Kubas. An Backbord versinkt die glutrote Kugel in den seichten Wogen des Meeres. Den Soundtrack zu diesem Lichtspektakel liefern das leichte Plätschern des Wassers am Bug und das sonore Brummen der Segel, wenn wieder mal eine Bö das Boot vorantreibt. Einfach nur herrlich. Knapp 150 Seemeilen weiter südlich von uns liegen die Cayman Islands – und noch einmal 100 Seemeilen weiter bahnt sich gerade unbemerkt eine gewaltige Naturkatastrophe an.
Es ist Samstagabend, 8. Februar 2025, 18:23 Uhr Ortszeit, als die Seismographen verrückt spielen. Eines der schwersten Erdbeben der vergangenen Jahre erschüttert plötzlich die Karibik, in einer Tiefe von 33 Kilometern unter dem Meer. Die US-Erdbebenwarte (USGS) gibt sofort eine Warnmeldung heraus, das US-Tsunami-Warnsystem meldet Alarm: Ein Erdbeben mit einer vorläufigen Magnitude von 8,0 habe sich ereignet.
„Basierend auf den vorläufigen Erdbebenparametern sind weit verbreitete gefährliche Tsunamiwellen innerhalb der nächsten drei Stunden möglich“, heißt es. Betroffen sein könnten die Cayman Islands, Jamaika, Kuba, Mexiko, Honduras, Bahamas, Haiti, die Turks und Caicos, Belize, die Dominikanische Republik, Kolumbien, Panama, Puerto Rico, die US- sowie die British Virgin Islands und auch die ABC-Inseln. Wir genießen noch ahnungslos den Sonnenuntergang.
Die Ruhe vor dem Sturm
Vor ziemlich genau zwei Jahren haben wir mit unserer Dilly-Dally, einer Moody 425, von der Türkei aus die Karibik erreicht. Die erste Hurrikansaison verbrachten wir in Grenada und Tobago, die zweite in der Dominikanischen Republik. Während wir in Luperón darauf warteten, dass die turbulente Wirbelsturmzeit zu Ende geht, fegten zwei Hurrikans über Kuba hinweg und richteten immensen Schaden an. Erst Mitte Januar brachen wir wieder auf nach Kuba, wo es uns bei unserem ersten Aufenthalt so gut gefallen hat. Wir wissen, wie unberechenbar hier das Wetter sein kann. Vor einem Jahr hätten wir beinahe in einem Gewittersturm unser Boot verloren.

Aber an diesem Samstagabend wähnen wir nichts Ungewöhnliches. Der Wind weht schwach, einzelne Böen kratzen an der 20-Knoten-Marke. Trotzdem haben wir unsere Planung am Nachmittag spontan verworfen. Eigentlich wollten wir noch eine Nacht vor einer der kleinen Inseln, den sogenannten Cayos, bei Trinidad de Cuba im Süden Kubas verbringen. Geschützt hinter einem großen Riff, auf geringer Tiefe. So wie die zwei Wochen zuvor auch. Nachts peitschten oft Böen mit über 30 Knoten über das Flach, aber die Cayos bieten guten Haltegrund für den Anker. Doch bei dieser letzten kleinen Insel haben wir ein schlechtes Gefühl. Warum auch immer! Vielleicht nur, weil die mit Mangroven bewachsene Cayo Guayo keinen Strand bietet, um mit Bordhund Miço Gassi zu gehen.
Tsunami-Warnung
Noch bevor der Anker am Nachmittag fällt, beschließen wir jedenfalls, weiterzusegeln. Nach Cienfuegos – noch einmal 42 Seemeilen. Da Cienfuegos an einem großen Fjord mit einer langen, schmalen Einfahrt liegt, wollen wir die Nacht in einer Bucht kurz vor dem Fjord verbringen. Errechnete Ankunftszeit: zwischen 0 und 1 Uhr nachts.
Es ist 19.20 Uhr, als ich in das besorgte Gesicht meiner Freundin schaue. „Ich habe dir mal eine Nachricht weitergeleitet“, sagt Arzum. Dank Starlink haben wir auch auf dem Meer Empfang. Die Nachricht ist überschrieben mit „TSUNAMI THREAT MESSAGE“. In der Warnung des Pacific Tsunami Warning Centers Honolulu ist die Rede von einem starken Erdbeben bei Honduras. Das scheint erst mal weit weg. Da die Nachricht von Hawaii versendet wurde, wähne ich das Erdbeben im Pazifik – und uns damit in Sicherheit.

Erst als ich weiterlese, erkenne ich den Ernst der Lage. „Geschätzte Zeiten der ersten Tsunamiwelle für Orte, die mit einer potenziellen Tsunami-Bedrohung identifiziert sind“, steht da. Und dann sehe ich in der Liste auch Cienfuegos, Kuba, den Ort, auf den wir Kurs gelegt haben. Die errechnete Ankunftszeit wird mit 0.11 Uhr angegeben, also kurz nach Mitternacht, exakt um die Zeit, zu der wir eigentlich in der weit zum Meer offenen Bucht den Anker fallen lassen wollten. Und die Warnung geht weiter: „Die tatsächlichen Ankunftszeiten können abweichen und die erste Welle ist möglicherweise nicht die größte. Ein Tsunami besteht aus einer Reihe an Wellen und die Zeit zwischen den Wellen kann fünf Minuten bis zu einer Stunde betragen.“
Warnungen von überall
Wir sind baff. Hätten wir nicht kürzlich Starlink nachgerüstet, wir wären blindlings in eine mögliche Katastrophe hineingesegelt, hätten vielleicht gerade den Anker geworfen, um Minuten später von einer gewaltigen Welle an Land geworfen zu werden.
Plötzlich wollen unsere Telefone gar nicht mehr aufhören zu vibrieren. Nachricht auf Nachricht prasselt ein. Von Freunden in der Karibik, von Seglern aus Luperón, die wissen, dass wir mit vier Booten nach Kuba aufgebrochen sind, von besorgten Bekannten in Deutschland oder der Türkei.
Hurrikan Beryl verwüstet Karibikparadies
Es ist 11.10 Uhr Ortszeit, als Hurrikan Beryl am Montag auf Carriacou nördlich von Grenada trifft. Wenig später liegt das Auge des Wirbelsturms genau über der kleinen Insel. Die Satellitenbilder des US-National Hurricane Centers lassen nichts Gutes erahnen. Beryl ist ein Hurrikan der Kategorie 4, der zweithöchsten Stufe. Mit Windgeschwindigkeiten von bis 130 Knoten (240 km/h) zieht er über die Insel und hinterlässt eine Spur der Verwüstung. Kaum ein Haus kann dem Hurrikan standhalten.
Carriacou bedeutet „Insel der Riffe“ und ist eine weitgehend unbekannte Insel mit 6.000 Einwohnern. Unter Karibikseglern gilt das Eiland als Paradies. Die Bewohner sind ausgesprochen freundlich und hilfsbereit, die Hauptstadt Hillsborough mit ihren bunten, pittoresken Häusern versprüht karibischen Charme und in der Tyrell Bay liegen etliche Boote vor Anker.

Auch gibt es zwei Marinas mit Landliegeplätzen. Wer aus den traumhaften Grenadinen kommt, legt meist einen Stop auf Carricaou ein, denn hier gibt es die Möglichkeit, für Grenada einzuchecken. Gerade in der Hurrikansaison ist die Insel ein beliebtes Ziel. Denn eigentlich gelten die Inseln im Süden der Kleinen Antillen als sicher. Der letzte Hurrikan, der so weit südlich entlangzog, war Ivan im Jahr 2004. Aber dieses Jahr ist alles anders.
Premier: „Die Insel wurde plattgemacht“
„In nur einer halben Stunde“, wird Grenadas Premierminister Dickon Mitchell später sagen, habe Beryl „die Insel plattgemacht“. Auf der Nachbarinsel Petite Martinique habe es „extreme Schäden“ gegeben. Und auch die Inseln nördlich von Carriacou, die zu St. Vincent und den Grenadinen gehören, erlitten „immense Zerstörungen“, wie deren Premierminister Ralph Gonsalves in einer Pressekonferenz bestätigte. „Schätzungsweise 90 Prozent der Häuser auf Union Island wurden schwer beschädigt oder zerstört, und auf den Inseln Mayreau und Canouan werden ähnliche Zerstörungen erwartet“, sagte Gonsalves.
Das gesamte Ausmaß der Schäden ist auch an Tag eins nach dem Durchzug des Hurrikans noch nicht abzusehen. In vielen Regionen ist der Strom ausgefallen, der Mobilfunk zusammengebrochen. Die betroffenen Inseln haben den Notstand ausgerufen. Bislang sind zwei Todesopfer bekannt.
Segler haben Glück
Wie es scheint, ist die Segel-Community mit einem blauen Auge davongekommen. Tausende Yachten „übersommern“ gewöhnlich während der Hurrikansaison, die offiziell am 1. Juni begonnen hat und noch bis Ende November andauert, auf Grenada. Teils an Land, teils vor Anker oder an Mooringbojen. Besonders die weit verzweigten Buchten im Süden der Hauptinsel gelten als sicher. Vor allem zu dieser frühen Zeit in der Hurrikansaison.

Sebastian Wache, Meteorologe bei Wetterwelt, über Hurrikan Beryl: „Noch nie gab es einen Hurrikan, der jemals so früh in dieser Stärke entstanden ist und dann so südlich zieht. Kein Wunder, dass wir so früh im Jahr und so südlich noch nie einen Major Hurricane gesehen haben. Die Wasser- und Lufttemperaturen sind seit 2023 abnormal hoch. Damit ist ausreichend Energie vorhanden. Diese Wassertemperaturen erwarten wir eigentlich erst Ende August/September. Der Klimawandel zeigt sich auch hier mit voller Wucht.“
Genügend Zeit für Vorbereitung
Schön früh prognostizierte das US-National Hurricane Center das Potenzial für einen Hurrikan – und warnte vor der südlichen Zugbahn. Allerdings lassen sich einigermaßen verlässliche Aussagen über den genauen Verlauf erst 48 Stunden zuvor treffen. Und so galt zunächst das Gebiet von St. Lucia im Norden bis hinunter nach Grenada und sogar bis Tobago als mögliches Einfallstor. Immerhin hatten die Segler genügend Zeit sich vorzubereiten.
Das Schweizer Seglerpaar Sabine Löwenthal und Heinz Bachmann verbringt die dritte Hurrikansaison auf Grenada. Mit ihrem Katamaran R9B, einer Sunreef 50, liegen sie in der Port Louis Marina in Grenadas Hauptstadt, als Beryl sich auf dem Atlantik ankündigt.
Segler fliehen vor Hurrikan Beryl
Das Biest hat einen Namen: Beryl! Die Experten des US-National Hurricane Center (NOAA) warnen: „Wenn Beryl am frühen Montag die Kleinen Antillen erreicht, wird er voraussichtlich ein extrem gefährlicher Hurrikan der Kategorie 4 sein und zerstörerische Orkanböen und eine lebensgefährliche Sturmflut mit sich bringen.“ Die Warnung vor Hurrikan Beryl gilt für alle Inseln ab Grenada im Süden und Martinique im Norden.
Ausgerechnet Grenada. Auf der südlichen Antilleninsel verbringen jedes Jahr tausende Segler die Hurrikan-Saison. Auch wenn Grenada im sogenannten Hurrikan-Gürtel liegt, gilt die Insel als relativ sicher. Aber jetzt werden Erinnerungen an den tragischen September 2004 wach, als Hurrikan Ivan auf der Insel eine Spur der Verwüstung hinterließ. 39 Menschen starben, 85 Prozent der Häuser in der Hauptstadt St. George`s wurden beschädigt. Als Ivan auf Grenada traf, war er ein Hurrikan der Stufe 3. Beryl soll noch zerstörerischer sein.
Massenexodus gen Süden

Unter den Karibikseglern ist Panik ausgebrochen. Nur 24 Stunden vor dem Eintreffen von Beryl verlassen etliche Yachten in einer Last-Minute-Aktion Grenada Richtung Trinidad. Es ist ein Massenexodus. Knapp 90 Meilen liegen vor ihnen. Immer wieder ziehen heftige Regenschauer durch, Blitze zucken über der Küste Südamerikas vom Himmel. Der Wind weht um die 20 Knoten und die Strömung drückt die Flottille stark nach Westen. Erste Boote haben Probleme. Über Boat Watch meldet eine Yacht mit zwei kleinen Kindern an Bord einen Maschinenschaden. Wegen der Strömung können sie den Kurs auf Trinidad nicht halten. Andere Boote werden gebeten, die Yacht ins Schlepptau zu nehmen. Denn wer es nicht bis Mitternacht ins sichere Trinidad schafft, der bekommt bereits die Vorboten des Hurrikans Beryl zu spüren.
Hunderte Boote sind bereits die Tage zuvor in den Süden geflohen. Die Bucht bei Chaguaramas gilt als sicher. Doch sie ist gnadenlos überfüllt. Andere Segler bleiben auf Grenada zurück, schlagen sich in die Mangroven, suchen Schutz in den wenigen Häfen, legen so viele Anker und Kette aus, wie sie haben, und informieren sich über Notunterkünfte. Und dann sind da noch die vielen unbewohnten Boote an Mooringbojen, deren Eigner derzeit auf Heimaturlaub sind, deren Yachten aber zu einer ernsthaften Gefahr für andere werden können, sollten sie sich losreißen. Bei prognostizierten Böen von mehr als 160 Knoten Wind ein wahrscheinliches Szenario.
48 Stunden vor dem Hurrikan sorgt eine Nachricht der Betreiber der riesigen Mooringfelder mit hunderten Plätzen im Süden Grenadas für Unruhe: „Unsere Liegeplätze sind KEINE HURRIKAN-LIEGEPLÄTZE und deshalb raten wir davon ab, unsere Moorings während des aufziehenden Sturms zu nutzen.“ Viele Segler sind plötzlich ratlos. Wo sollen sie hin? Die wenigen Marinaplätze sind ausgebucht, und zudem erweist sich der vermeintlich sichere Hafen bei einem Hurrikan oft als gefährliche Falle.
Heftige Saison erwartet
Eine heftige Hurrikan-Saison hatten die Meteorologen bereits im Mai vorausgesagt. float hatte darüber berichtet. Dass sich aber ein starker Hurrikan der Kategorie 4 bereits Ende Juni/Anfang Juli über dem Atlantik zusammenbraut, das hat es noch nie gegeben. Der unter Karibikseglern viel beachtete US-Hurrikan-Experte Brian Shields (Mr. Weatherman) spricht von einem Phänomen, das bislang nur in der Hurrikan-Hochzeit im September beobachtet wurde. Für die noch junge Saison verheißt das nichts Gutes.

Seit Tagen beobachten die Segler in der Karibik mit Argusaugen die Entwicklung von Beryl. Alle Wettermodelle warnten vor einem möglichen Hurrikan, dass er die Kategorie 4 erreichen würde, schien anfangs unwahrscheinlich. Die Prognosen der Zugbahn ließen zwar darauf schließen, dass Beryl relativ weit südlich die Antillen passieren würde.
Erinnerungen an Hurrikan Ivan
Aber zwischenzeitlich schien es, als würde das Auge zwischen Martinique und St. Lucia passieren. Doch je genauer die Prognosen werden, um so mehr wandert der Hurrikan nach Süden. 24 Stunden vor dem erwarteten Landfall liegt auch Grenada in der möglichen Zugbahn.

2004, bei Hurrikan Ivan, war es genauso, wie ein Blick auf die historischen Wetterdaten zeigt. Zwei Tage vor der Katastrophe lag die errechnete Zugbahn zwischen Martinique und St. Lucia, 24 Stunden später bereits bei St. Vincent, ehe das Auge des Hurrikans schließlich Grenada traf.
Über die sozialen Medien sind die Segler vernetzt, wie beispielsweise in der Facebook-Gruppe „Grenada Cruisers Information“. Immer mehr Yachten aus dem Norden laufen noch am Tag vor dem Hurrikan Grenada an, fragen die Community nach sicheren Ankerplätzen. Die niederschmetternde Antwort: „Es gibt keine mehr. Fahrt weiter nach Trinidad.“
Rette sich, wer kann
Noch 48 Stunden vor dem Sturm machten sich viele Segler Sorgen um die behördlichen Formalitäten. Wo auschecken in Grenada? Wie einchecken in Trinidad?
Ein Segler berichtet, dass sie bereits ausgelaufen waren, aber umgekehrt seien, als sie gehört hätten, dass sie in Trinidad mit ihrem Hund nicht einchecken könnten.
Wie gefährlich ist die Karibik?
Der Februar war ein schwarzer Monat für die Segelcommunity in der Karibik. Da war zum einen der tragische Fall der Simplicity, der einen dunklen Schlagschatten auf das bei Cruisern beliebte Inselparadies Grenada geworfen hat. Der Katamaran der US-Segler Ralph Hendry und Kathy Brandel, eine St. Francis 48, war nachts spurlos aus der Grand Anse Bay südlich der Hauptstadt St. George’s verschwunden. Einen Tag später wurde das Boot vor St. Vincent gefunden, schlecht verankert und mit zerfetztem Vorsegel. Die Eigner waren nicht an Bord, dafür das Deck mit Blutspuren übersät. float berichtete ausführlich über den Fall.
Die Ermittlungen gelten mittlerweile als abgeschlossen, drei Männer aus Grenada sind wegen Mordes angeklagt, auch wenn die Leichen des Ehepaares immer noch nicht gefunden wurden.

Segler immer noch nicht identifiziert
Fast zeitgleich wird vor der Küste Kolumbiens das Boot des schwedischen Einhandseglers Magnus Reslow gefunden, auf Grund gelaufen und zerschellt an einem Riff. Unweit treibt eine Leiche im Wasser. Alles sieht nach einem tragischen Unfall aus. Doch auch dieser Fall wirft Fragen auf. Zum einen, weil Reslow bereits Ende Dezember von Piraten überfallen, ausgeraubt und misshandelt worden war.
Zum anderen, weil der gefundene Körper auch heute noch, sechs Wochen nach dem Vorfall, nicht einmal identifiziert wurde.

Zwei Fälle, die die Gemüter bewegen. Und eine Frage aufwerfen: Ist die Karibik für Segler noch sicher? Oder handelt es sich um tragische Einzelfälle?
Segler sammeln Daten
float hat mit dem Caribbean Safety and Security Net (CSSN) gesprochen. Die Organisation, gegründet von Seglern vor mehr als 25 Jahren, hat es sich zum Ziel gesetzt, Informationen über Überfälle auf Yachten in der Karibik zu sammeln und zu verbreiten. CSSN stützt sich auf die Erfahrungen der Segelcommunity. Über ein Online-Formular können Betroffene Vorfälle direkt an CSSN melden. Zudem arbeiten die ehrenamtlichen Mitarbeiter Quellen wie Presseberichte oder Polizeimeldungen auf. „Unsere Berichte sollen sachliche Informationen liefern, um das Bewusstsein der Skipper und ihrer Besatzungen für eine bessere Vorbereitung zu stärken“, heißt es seitens CSSN.
Die Website arbeitet mit Boat Watch, Noonsite, der Seven Seas Cruising Association (SSCA) und Noforeignland zusammen und dürfte die umfassendste Sammlung an Informationen zur Sicherheit in der Karibik bieten. Auch wenn natürlich immer von einer hohen Zahl an nicht gemeldeten Vorfällen ausgegangen werden muss, vor allem im Bereich der einfachen Diebstähle.
Erheblicher Anstieg
Der jüngste Jahresbericht, ausgewertet und veröffentlicht von CSSN, ist aus dem Jahr 2022. Demnach erhöhte sich die Zahl der Vorfälle gegenüber Vorjahr „erheblich“, wie CSSN berichtet. Um 19 Prozent, von 102 auf 121 gemeldete Straftaten gegenüber Seglern. Gerade die Vorfälle mit Gewaltanwendung stiegen dabei deutlich von sieben auf zwölf (plus 72 Prozent). Doch was sagen diese Zahlen aus?

liefert die Einordnung gleich mit. Der Gesamtanstieg der gemeldeten Vorfälle sei nicht überraschend, heißt es, da sich während Corona deutlich weniger Segler in der Karibik aufgehalten hätten. Mit der Rückkehr der Cruiser würde naturgemäß auch die Anzahl der Delikte steigen. Zum Vergleich: Im Jahr 2019, also vor der Pandemie, berichtete CSSN von 140 Vorfällen. Also deutlich mehr als im Jahr 2022.
Hauptdelikt ist Diebstahl
Nach wie vor dominieren Diebstähle mit 60 Prozent die Statistik und verteilen sich auf sechs Länder: St. Vincent & die Grenadinen (SVG) kehrt mit 21 Prozent aller Meldungen auf den traurigen Spitzenplatz zurück. Martinique bleibt mit 14 Prozent auf Platz 2, und Panama gehört mit 8 Prozent erneut zur Spitzengruppe. St. Lucia folgt mit ebenfalls 8 Prozent, dominiert aber die Gewaltkategorie. Und auch die geteilte Insel Sint Marteen/Saint Marten ist in dieser Statistik präsent. Sieben Prozent aller Delikte fanden im niederländischen Teil statt, sechs Prozent im französischen.

Das Hauptaugenmerk der Diebe liegt dabei auf Beibooten und Außenbordmotoren. CSSN warnt: „Diebstahl bleibt weitgehend ein Gelegenheitsverbrechen.“ Viele Dinghys seien schlicht unzureichend mit nur einfachen Vorhängeschlössern und Kabeln gesichert.
Kuba, die andere Karibik
„Wir Kubaner sind wie Delfine“, sagt der kräftige Mann in dem schummrigen Marina-Office in Cienfuegos im Südwesten von Kuba. Die Sonne befindet sich bereits knapp über dem Horizont, die letzten goldgelben Strahlen des Tages treffen auf die Küste. In den Häusern ist es bereits dunkel. Der Strom ist ausgefallen. Wieder mal. „Uns steht das Wasser bis zum Hals“, führt der Mann sein traurig schönes Bildnis fort. Mit der Handfläche fährt er sich an der Kehle entlang, wie mit einem Messer.
„Aber wir lächeln. Immer!“ Seine Augen glänzen. Jammern, fährt er fort, hätten die Kubaner eben nicht in ihrer DNA. Der Mann, vielleicht Mitte 30, braungebrannt und muskulös, tippt auf sein Smartphone, kubanische Musik ertönt, wie man sie vom Buena Vista Social Club kennt, und er beginnt im Halbdunkeln zu tänzeln. Dabei zuckt er mit den Schultern. Eine Geste wie: „Was soll’s! Das Leben geht weiter.“

Wenige Meter entfernt sitzt eine Gruppe Chartersegler auf dem Trockenen. Kein Strom, kein Kühlschrank, will heißen: kein kaltes Bier in der Hafenbar. Der Barmann ist längst nach Hause gegangen. Die Reisetaschen der Neuankömmlinge stapeln sich noch zwischen den Tischen, die müden Augen der Touristen starren auf die wenigen Lebensmittel, die sie im Marina-Markt ergattern konnten. Wasser, ein paar Bier, Nudeln sowie Tomaten und Wurst in Dosen. Dafür aber zwei Kisten mit Rum.
Nicht viel für eine Woche Charterurlaub in einem Traumrevier. Wo der nächste Supermarkt sei, hatte die Reisegruppe bei ihrer Ankunft gefragt. Die Marina-Mitarbeiterin hatte nur gelacht. „Super gibt es hier generell nicht“, scherzte sie. „Und einen richtigen Markt eigentlich auch nicht.“ Auf Kuba müsse man alles organisieren. Und so ruhen nun alle Hoffnungen der Segler auf einer Kubanerin, die mit einer Einkaufsliste der Segler seit Stunden in der Stadt unterwegs ist. Willkommen auf Kuba, der etwas anderen Karibik.
Die Touristen bleiben fern
Cienfuegos ist so etwas wie das maritime Zentrum Kubas. Und auch an Land blühte der Tourismus in dieser herausgeputzten Stadt mit ihrer beeindruckenden Kolonialarchitektur. Es gibt einen Segelclub, der den Nachwuchs auf Jollen ausbildet, und sogar zwei Marinas. Mehrere Charterflotten haben hier ihre Stützpunkte. Oder korrekter: hatten.

Denn seit Corona ist der Tourismus auf Kuba nie wieder wirklich erwacht, die ausländischen Besucher bleiben fern, viele der Ferienanlagen sind geschlossen. Sie rotten vor sich hin. Und auch das Charter-Business darbt. Dream-Yacht-Charter hat vor wenigen Wochen seine Flotte abgezogen, die anderen Anbieter mussten ihr Angebot reduzieren. Geblieben ist der deutsche Anbieter Platten-Sailing.
Wer nach Kuba reist, der darf keine All-Inclusive-Mentalität an den Tag legen. Einkaufen ist eine Tagesaufgabe. Wer erwartet, in nur einem Laden gleich mehrere Produkte zu finden, der irrt sich gewaltig. Ohne einheimische Hilfe – natürlich gegen ordentlichen Lohn – bleibt der Kühlschrank leer. Selbst Restaurantbesuche können in vielen Gegenden ernüchternd sein. Manchmal besteht die Wahl nur zwischen Huhn mit Reis oder Reis mit Huhn. Vorausgesetzt, der Strom läuft. Sonst bleibt die Küche kalt, der Magen leer.
Sozialistische Trutzburg
Nichts ist gewöhnlich in diesem außergewöhnlichen Land, das wie eine sozialistische Trutzburg nur wenige Meilen südlich von Florida liegt. Kaum ein Land dürfte es genialer geschafft haben, die kommunistische Revolution zu ihrem Markenzeichen erklärt – oder besser: verklärt – zu haben.

Wer an Kuba denkt, der denkt an Rum, Lebensfreude, Oldtimer und dicke Zigarren, nicht an unterdrückte Meinungsfreiheit oder eine leidende Bevölkerung. Der Personenkult um Fidel Castro und Che Guevara ist ungebrochen. Zumindest dem Anschein nach.
Karibik im Klimawandel
Die Karibik ist ein Sehnsuchtsort für viele Segler, auch für uns auf unserer Dilly-Dally. Doch wie lange noch? Der Klimawandel verändert das Paradies. Das Wetter wird immer unberechenbarer, die hohen Wassertemperaturen zerstören die Korallen. Und dann sind da noch die gigantischen Seegras-Teppiche.
Mehr noch als der menschengemachte Strukturwandel erschwert Langfahrtseglern auf der Suche nach Abenteuern zunehmend der Klimawandel das Reisen. Wetterextreme nehmen zu. Die Wassertemperaturen in Mittelmeer und Atlantik erreichen immer neue Höchststände. Im Atlantik haben Messbojen dieses Jahr bei Florida 38 Grad Celsius Wassertemperatur gemessen. Der Ozean hat Fieber.

Und mit dem Wasser, das als natürliche Klimaanlage für die Atmosphäre dient, steigt auch die Lufttemperatur. Gerade erst wurde der Sommer 2023 global als der heißeste seit Aufzeichnung der Wetterdaten klassifiziert. Hitze und Dürren entfachen Waldbrände, wechseln sich mit Unwettern ab, in denen schier unglaubliche Regenmengen binnen kurzer Zeit auf die ausgedörrte Erde preschen und zu dramatischen Überschwemmungen führen, wie erst kürzlich in Spanien, Griechenland und der Türkei – oder auch auf Hawaii oder in Kanada.
Neue Qualität des Wetters
Schon im vergangenen Jahr klagten Segler im Mittelmeer über das abnormale Wetter. So einen Sommer, so der Tenor, hätten sie noch nie erlebt. Und dieses Jahr? Da ist alles noch viel schlimmer. Zumindest subjektiv. Aber auch die Wetterdaten scheinen das zu belegen. Als im August vergangenen Jahres ein gigantisches Unwetter über Korsika aufzog und etliche Yachten an Land spülte, sprach Sebastian Wache, Diplom-Meteorologe bei Wetterwelt in Kiel, bereits von „einer neuen Qualität des Wetters“.
Getrieben vom Klimawandel würden die Extreme an Intensität und Häufigkeit zunehmen, prognostizierte er. Ein Faktor sei die hohe Wassertemperatur. Die Folge: Die Luft kühlt auch nachts nicht ab. Und je wärmer die Luft, umso mehr Feuchtigkeit kann sie aufnehmen – pro Grad Celsius sieben Prozent mehr. „In der feuchten warmen Luft steckt unglaublich viel Energie“, erklärt Wache. Insbesondere wenn unterschiedlich temperierte Luftmassen (warme auf noch viel wärmere oder warme auf kalte) an sogenannten Fronten oder Konvergenzlinien aufeinander treffen. „Da passiert dann Wetter“, so der Meteorologe.

Für Segler wird das Wetter zunehmend unberechenbarer – und damit zu einem Risiko. Einst feste Parameter geraten ins Wanken. Im vergangenen Jahr bildeten sich beispielsweise die konstanten Passatwinde auf dem Atlantik erst sehr spät aus. Die Atlantic Rally for Cruisers (ARC), die jedes Jahr in der zweiten Novemberhälfte von Gran Canaria in die Karibik startet, kämpfte zu Beginn mit Sturm, dann mit Flaute. Statt vor dem Wind segelnd mussten einige Boote hunderte Meilen vor dem Ziel gegen ihn ankreuzen. Und die diesjährige Hurrikansaison startete mit gleich zwei benannten Stürmen im Juni sehr früh. Zum Glück blieb die Karibik bis zum Höhepunkt der Hurrikan-Saison Mitte September von Katastrophen verschont.
Buchten-Billard durch Klimawandel
Kaum jemand ist so sehr Wind und Wetter ausgesetzt wie Segler. Ein Unwetter ist mehr als ein Ärgernis über ein verregnetes Wochenende, wenn vielleicht an Land das lange Zeit geplante Grillfest ins Wasser fällt. Auf einem Boot kann Wetter existenzbedrohend sein. Nicht nur auf See, vor allem in Ankerbuchten. Mittlerweile haben wir abtreibende Boote als eines der größten Risiken beim Langfahrtsegeln ausgemacht. Mehr als einmal – im Mittelmeer wie in der Karibik – mussten wir unser Boot im Sturm beim Buchten-Billard sichern.
Auch wenn sich große Wetterlagen langfristig ankündigen und bei vorsorglicher Planung eine sichere Bucht angesteuert werden kann, überraschen Extremwetter immer wieder auch erfahrene Segler. Denn die Wettermodelle, die basierend auf der Auswertung statistischer Daten Prognosen für die Zukunft errechnen, kommen an ihre Grenzen. Das bestätigt auch Sebastian Wache von der WetterWelt.

Das Problem bei den automatisierten Prognosen sei, das nur ein Modell genutzt wird und kaum ein Mensch auf aktuelle Wetterentwicklungen im Kurzfristbereich schaut, sagt Wache, der sich auf das weltweite Wetter-Routing für Segler spezialisiert hat. Er berät Regatta- wie auch Langfahrtsegler. Teils seien Wetterdaten auch mit statistischen Werten versehen, die Wetterextreme noch nicht beinhalten, so Wache. „Und Statistiken können Peaks zusätzlich glätten.“
Seegras-Todeszonen
Es fehlten für die Extremwetter einfach die Erfahrungswerte. Das sei die aktuelle Herausforderung für die Wetterinstitute. „Die Wettermodelle müssen nachjustiert und Wetterextreme eingearbeitet werden, um näher an die Realität zu kommen“, sagt Wache. Zwar seien die Wetterdaten, die heute geliefert würden, besser als jemals zuvor. „Sie müssen nur richtig und am besten von Fachleuten vorab interpretiert werden“, sagt der Meteorologe.
Der Klimawandel mit seinen Extremwettern wird Langfahrtsegler also auch in Zukunft immer mehr herausfordern. Und nicht nur das Wetter direkt, sondern auch die Folgen für die Natur werden zum Manko. Da sind zum einen die riesigen Seegrasfelder, die sich jedes Jahr von Afrika aus über den Atlantik in Richtung Karibik, Golf von Mexiko und die Küste Floridas bewegen. Die US-Behörden sprachen im März diesen Jahres von einem Teppich, der sich über 5.000 Meilen erstreckte.
Karibik im Wandel
Früher war alles besser. Die beliebte Floskel für Griesgrame ist auch unter Seglern in der Karibik verbreitet, vor allem unter denen, die schon seit vielen Jahren die Kleinen Antillen befahren. Denn die Karibik ist im Wandel. Mehrmals haben wir auf unserer Reise mit der Dilly-Dally Segler getroffen, die wehmütig von der guten, alten Zeit sprachen, bevor der Massentourismus an Land und unter Segeln, sei es Charter oder Langfahrtsegler, wie eine feindliche Armada auf den Eilanden einfiel.
Von daher kann ich sie verstehen, die Nörgler. Zumindest teilweise. Denn auch wir hatten andere Vorstellungen. Früher war zumindest vieles anders. Ob es jetzt besser oder schlechter ist, liegt im Auge des Betrachters. Wenn in einer Bilderbuchbucht plötzlich ein Hotelbunker erwächst, ist das für den ankernden Segler natürlich blöd. Ziemlich wahrscheinlich auch für die Umwelt. Aber für den, der vom Hotel aus auf den ankernden Segler schaut, ist es schön. Für den, der im Hotel Arbeit gefunden hat, noch viel besser. Überrascht waren wir, wie groß das Engagement Chinas in der Karibik ist.

Auf vielen Inseln (die französischen einmal ausgenommen) ist Peking stark aktiv. China baut Flughäfen, Straßen und investiert auch in den Tourismus. Dominica ist so ein Beispiel, aber auch Grenada. Auf jeder Insel, die wir in der Karibik besuchen, machen wir natürlich auch Landausflüge. Mal auf eigene Faust, mal mit einem einheimischen Reiseführer. Wir sind erstaunt, wenn mitten im Dickicht des Regenwaldes plötzlich laute Bauarbeiten ertönen, riesige Flächen gerodet werden und dort ein Luxushotel entsteht.
Die Einheimischen freut’s
Kevin, unser Guide auf Dominica, findet das gut. Dexter, unser Fahrer auf Grenada, hält stolz vor einer Tafel, auf der ein riesiger Hotelklotz abgebildet ist, der hier im Norden der Insel im Bau ist. Nur wenige hundert Meter weiter steht ein weiteres Schild. Darauf seltene Meeresschildkröten, die hier brüten. Dexter lächelt verlegen. Für die Umwelt ist das Bauprojekt wahrscheinlich nicht gut, sagt er. Aber für die Menschen. Und natürlich auch für ihn als Tourguide.
Als wir im Sommer 2022 die Türkei Richtung Westen verlassen haben, um den Atlantik zu queren, hatten wir ein leicht idealisiertes Bild der Karibik von einsamen Stränden und bunten Korallenriffen im Kopf. Mit Postkartenmotiven vor der Augen und Adrenalin im Blut begaben wir uns auf die Spuren der großen Entdecker. Wir waren gewappnet für eines der letzten großen Abenteuer dieser Zeit: die Atlantiküberquerung auf eigenem Kiel und auf eigene Faust, ohne betreutes Segeln wie bei der ARC. Wir waren voller Vorfreude und trauten uns das zu.

Früher war vieles schwieriger. Eine Atlantiküberquerung ist auch heute noch spannend und anstrengend zugleich. Aber relativ einfach zu bewältigen. Statt bewaffnet mit Sextant und Sternenkarte, setzten wir Wegpunkte auf dem Kartenplotter, programmierten den Autopiloten und luden täglich zweimal den neuesten Wetterbericht über die Satellitenkommunikation herunter. Die Solarpaneele versorgen die Bordelektrik, liefern genug Saft, um Kühlschrank und Gefrierbox zu betreiben. Der Wassermacher produziert frisches H2O. So viel zum Abenteuer.
Segeln mit dem Seewolf
Menschen machen Orte, sagte einmal mein südafrikanischer Stegnachbar in der Türkei. Und er hatte Recht. Seit fünf Jahren lebe ich auf meinem Boot, wir haben in einem Dutzend Ländern Anker geworfen, vor herrlichen Kulissen und pittoresken Städtchen. Aber es sind viel zu viele Orte, um sich an alle im Detail zu erinnern. Was aber im Kopf hängenbleibt, sind Begegnungen. Fast täglich haben wir Bekanntschaft mit Einheimischen oder anderen Seglern gemacht, manchmal wurden aus Fremden Freunde. Eine, eher flüchtige, Bekanntschaft ist uns aber besonders in Erinnerung geblieben.
Bei der morgendlichen Gassirunde an einem Strand auf Antigua kam ich mit einem älteren Herren ins Plaudern. Ein Kanadier mit deutschen Wurzeln, der auf der Insel in Jolly Harbour lebt. Spontan lud er uns zu sich nach Hause ein. „Kommt doch einfach mal vorbei“, sagte der Mann. Leider waren wir an diesem Tag bereits mit Freunden verabredet. Aber das Schicksal meinte es gut mit uns. Am nächsten Abend, wir genossen gerade einen Sundowner in einer Beach Bar, sahen wir den Mann erneut, wie er am Strand spazieren ging. Wir luden ihn auf ein Bier ein. Eine Stunde später saßen wir bei ihm im Wohnzimmer, in einem dieser herrlichen Bungalows direkt am Wasser mit Boot am eigenem Steg.

Jochen Neumann, so der Name des 80-Jährigen, ist nicht nur Unternehmer, vor allem ist er ein Abenteurer – zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Zu seinen Freunden zählten der verstorbene Philippe Cousteau, der Sohn des legendären Meeresforschers Jacques Cousteau, und Raimund Harmstorf, den viele als den „Seewolf“ kennen. Neumann lernte den Schauspieler beim Segeln auf dessen privater Karibikinsel vor Grenada kennen. Seit einigen Jahren ist Neumann mit der deutschen Schauspielerin Katerina Jacob verheiratet.
50 Jahre früher
In den 70er Jahren, da war Neumann erst Mitte 20, ließ er sich in den Niederlanden eine Expeditionsyacht bauen und erkundete die Karibik, teilweise begleitet von einem Kamerateam des ZDF. 50 Jahre später schauen wir die 90-minütige Dokumentation an diesem Abend in Neumanns Wohnzimmer. Über Orte und Inseln, die wir erst kürzlich besucht haben, und doch scheinen sie wie aus einer anderen Welt. Verlassene Buchten, unbebaute Strände, eine unberührte Natur. An Land wie unter Wasser. Und zu jeder fantastischen Sequenz hat Neumann eine noch atemberaubendere Anekdote parat. Abenteuer pur.
Einmal Atlantik mit alles! Teil 2: Start, Zoll & Zeitplanung
Die Atlantikpassage auf eigenem Kiel gilt als eine der letzten großen Abenteuer dieser Zeit. Auch wenn jedes Jahr hunderte Yachten den Sprung über den großen Teich wagen, muss die Überquerung gut geplant und vorbereitet sein.
Vieles war bei uns auf der Dilly-Dally anders gelaufen als geplant. Manche Erwartungen wurden erfüllt, andere übertroffen, oft wurden wir aber auch kalt erwischt. Einiges haben wir unterschätzt oder schlicht falsch eingeschätzt. Manches würden wir heute anders machen. Unsere Erfahrungen wollen wir gerne teilen. Nach den Vorbereitungen in Teil 1 der Serie geht es in diesem Teil um den Start, die Zollformalitäten, den Faktor Zeit, die ersten Nachtfahrten und die Stromversorgung.
Start mit Schwierigkeiten
Vor dem Atlantik kommt das Mittelmeer. Und das hat es in sich. Auf unserer kleinen Odyssee von der Türkei im Osten des Mittelmeeres bis zum westlichen Tor bei Gibraltar sind es gut 2.500 Meilen. Wochen und Monate auf See, die wir als Vorbereitung für den Atlantik nicht missen möchten. Auch, wenn wir manchmal kurz vor dem Verzweifeln waren. Viele Reparaturen, Instandsetzungen und Investitionen fielen an. Aber wie sagte Arzum, meine Freundin, immer so schön: „Besser jetzt als auf dem Atlantik.“ Wohl wahr!

Als wir endlich Mitte Juli 2022 in Griechenland einchecken, haben wir bereits 200 Seemeilen auf der Logge und drei Wochen hinter uns, liegen aber nur zwei Seemeilen von unserem Ausgangshafen in Kaş an der Südküste der Türkei entfernt auf der östlichsten griechischen Insel Kastellorizo. Arzum kann sogar mit dem Fernglas ihre Mutter auf dem heimischen Balkon sehen. Wie kann das sein?
Nach unserer ursprünglichen Planung hätten wir zu diesem Zeitpunkt längst Athen im Kielwasser haben sollen. Aber sind Pläne nicht ohnehin dazu da, um sie über Bord zu werfen? Ja und gleichzeitig nein! Zwar segeln wir gerne nach der Devise „Der beste Plan ist keinen zu haben“, da Wetter, Wind und Welle langfristig ohnehin die Route vorgeben.
Schnapsidee
Ganz ohne Plan geht es dann aber doch nicht. Und der besagt, dass wir gegen Weihnachten von den Kapverden aus den Atlantik überqueren wollen. Zusammen mit zwei weiteren Booten, die ebenfalls aus Kaş aufgebrochen sind. Das eine ein paar Wochen vor uns, das andere ein paar Wochen nach uns. Irgendwo auf dem Weg wollen wir uns treffen. Spätestens in Marokko.
Die anfängliche Idee, dass alle drei Boote die gesamte Strecke bis in die Karibik gemeinsam zurücklegen, war eine unrealistische Schnapsidee. Mal musste das eine Boot auf Ersatzteile warten, mal das andere aus dem Wasser gehoben werden. Hätten die anderen jeweils gewartet, wären wir wahrscheinlich immer noch irgendwo im Mittelmeer.
Lektion 1
So schön das Segeln in einer kleinen Flottille auch ist, auf langen Schlägen ist gemeinsames Reisen kaum realisierbar. Denn nicht der Skipper gibt Tempo und Route vor, sondern Reparaturen und das Schicksal. Wer gerne wegen des Gefühls der Sicherheit in einer Gruppe segeln will, dem sei für die Atlantik-Passage die ARC oder das individuellere Pendant Viking Explorers Rally empfohlen.

Aber keine Sorge, wer an keiner organisierten Rally teilnehmen möchte, der findet in den klassischen Absprunghäfen auf den Kanaren, den Kapverden oder Gibraltar genügend Boote mit dem gleichen Ziel.
Immer Ärger mit dem Zoll
Unsere Verzögerung gleich zu Beginn der Langfahrt hatte bürokratische Gründe. Bei der Ausreise aus der Türkei meinte der Zoll, eine Altlast auf dem Boot entdeckt zu haben, die der Vorbesitzer mir unbekannterweise hinterlassen hatte. Angeblich hätte sich der Südafrikaner zu lange mit dem Boot in der Türkei aufgehalten, bevor er mir im Spätsommer 2018 die Dilly-Dally verkauft hatte.
Da er aber bereits vor Jahren ausgereist und somit nicht greifbar war, die Moody 425 aber immer noch in türkischen Gewässern weilte, meinte der Zoll, der neue Eigner, also ich, sollte die Strafe zahlen. Wir reden hier nicht von Peanuts, sondern von einem fünfstelligen Betrag.
Das Absurde ist, dass das Gesetz, auf das der Zoll sich bezog, eigentlich für Autos gilt, dummerweise in den Paragraphen aber nur von „Fahrzeugen“ die Rede ist, was wiederum einige klamme Provinzen (wie Muğla im Südwesten der Türkei) kürzlich dazu veranlasste, das Gesetz auch auf schwimmende Fahrzeuge, also Boote, auszuweiten. Der Voreigner hatte also gar nicht gegen ein Gesetz verstoßen, es wurde damals schlicht anders interpretiert.
Lektion 2
Viele Langfahrtsegler kaufen erst kurz vor ihrem Abenteuer ein Boot. Unbedingt alle Papiere auf Vollständigkeit und Altlasten checken lassen, um ein böses Erwachen zu vermeiden.
Die Zeit rennt
Um den Start unserer Langfahrt nicht durch ein riesiges Loch in der Bordkasse zu gefährden, mit dem Potenzial das Boot samt Crew in einem Strudel aus Paragraphen auf den Meeresgrund zu ziehen, mussten wir noch einmal umdrehen. Denn Kaş, unser Heimathafen, liegt in einer anderen Provinz (Antalya), in der das besagte Gesetz auf Boote noch nicht angewendet wurde.
Anker-Rodeo im Tropensturm
Es ist eine Szene wie aus dem Bilderbuch: Ein Segelboot neigt sich elegant in der Abendbrise. Aber irgendetwas stimmt nicht. Keine fliegende Gischt. Kein Bug, der rauschend durch die Wellen schneidet. Keine Bewegung. Nichts ist so, wie es scheint.
Ich stehe im knietiefen Wasser und betrachte das surrealistische Stilleben, dessen Protagonist mein Boot ist. Die SV Seefalke, meine knallorangene 40-Fuß-Ketsch aus bestem Marinestahl, ist gestrandet wie ein Wal. Es ist ihr zweiter Tag auf der Sandbank, und sie sieht traurig aus. Aber auch ein bisschen trotzig, als ob sie ruft: „Ok, diesmal haben wir verloren, aber die letzte Schlacht gewinnen wir!“ Verloren haben wir gegen den Sturm Gamma, der Seefalke und mich im äußersten Osten Mexikos, in der Bahia von Isla Mujeres vor der Halbinsel Yukatan, erwischt hat.

Gamma wurde vor drei Tagen als harmloses Tiefdruckgebiet geboren. Mit maximalen Windgeschwindigkeiten von sechzig Knoten beinahe schon ein Hurrikan, hält er nun auf Yukatan zu. Mittlerweile können mich Tropenstürme nicht mehr aus der Ruhe bringen. Aber der Haltegrund in der Bahia ist berühmt-berüchtigt. Sobald mehr als zwanzig Knoten Wind darüber wehen, wird das Ankerfeld regelmäßig auf- und durchgemischt.
Ich fiere die Ankerkette auf 50 Meter. 50 Meter bei nur 2,30 Meter Wassertiefe. Viel mehr geht nicht, sonst werde ich bei den vorhergesagten nordöstlichen Winden meinem Nachbarlieger zu nahe kommen. Ich gebe 1.000 Umdrehungen zurück, dann 2.000. Mein 62-PS-Diesel bemüht sich redlich, Wasser quirlt und sprudelt, aber wir bewegen uns keinen Millimeter. So soll es sein.
Hier hatte die „Ankerregatta“ stattgefunden
Dann setze ich meinen zweiten Anker V-förmig, in einem Winkel von ca. 60° zum ersten. 20 Meter starke, zwölf Millimeter dicke Kette und zusätzlich 20 Meter Bleileine müssen reichen. Wenn uns etwas das Genick bricht, dann nicht der kontinuierliche Wind, sondern die Böen. Ich hole mir die Taucherbrille und tauche beide Anker ab. Sind tief eingegraben. Sieht gut aus!
Doch mich befallen Zweifel: Genau dort, wo ich heute ankere, hatte vor ein paar Monaten während des Tropensturms Cristobal die Ankerregatta stattgefunden. Nach dem Motto: Wer kann mit schwerstem Anker und längster Kette vor Topp und Takel noch am schnellsten fahren? Meine Freunde von SV Off-The-Grid waren vorne mit dabei, aber auch SV Maverick und SV Sukha hatten Ambitionen aufs Treppchen. Alles erfahrene Skipper mit guten Ankern und viel Kette.
Zwei Kabel weiter östlich ist der Haltegrund wesentlich besser. Aber ich bin einfach zu faul. Zu faul, den zweiten Anker manuell aufzuholen und dann noch den ersten. Dann auf den neuen Platz verholen und beide Anker wieder setzen, einfahren, abtauchen. Das würde zwei Stunden Knochenarbeit bedeuten, mindestens. Ich klariere das Deck und binde alles fest, was nicht niet- und nagelfest ist, sichere mein Dinghy mit einer zweiten Leine und mache die Schotten dicht. Gamma kann kommen!
Klar zum Rodeo
Bei Einbruch der Dunkelheit nimmt der Wind zu. Das Schiff bebt. Gefährlich heult es in den Stagen und Wanten: der bekannte Soundtrack des Sturms. Kurz vor Mitternacht sind es beständig mehr als 30 Knoten mit Böen tief in den Vierzigern. Die Böen kommen über uns wie überdimensionale Ohrfeigen. Sie kommen nicht von vorne. Unter ohrenbetäubendem Lärm schlagen sie von der Seite zu wie Thors Hammer!
Sie legen Seefalke auf die Seite, bis sie in die Kette einruckt und unsanft wieder aufgerichtet wird. Bereit für den nächsten Schlag. Auf dem iPad in meiner Navi-Ecke sehe ich die Plotterdaten, empfangen über WLAN, praktisch. Nie habe ich dieses Gadget mehr geliebt als jetzt. So muss ich wenigstens nicht in den Regen raus. Der Ankeralarm ist gesetzt, aber er bleibt stumm, Seefalke schwoit perfekt nach Lehrbuch.

Kaum aufgewacht nach einem kurzen Schlaf sehe ich, dass meine Freunde von SV Bullseye bedrohlich zielstrebig auf mich zukommen. Sie stehen auf dem Vordeck und kämpfen verzweifelt mit etwas, vermutlich mit der Ankerkette. Im letzten Moment bekommen sie ihren kleinen Motor gestartet und quälen sich zurück zu ihrem Ankerplatz.
Das Heulen des Sturms übertönt alles
Die Böen haben mittlerweile gut über 50 Knoten drauf. Plötzlich sehe ich Bewegung auf dem Plotter. Nur 20 Fuß, aber definitiv 20 Fuß zu viel! Aber wir haben wieder gestoppt. Es sieht so aus, als hätte der Anker einen neuen Haltepunkt gefunden. Aber es gefällt mir nicht. Ich bin alarmiert und starte den Motor. Nur für den Fall. Erst denke ich, der Motor startet nicht, weil ich ihn nicht hören kann. Doch ein Blick auf den Drehzahlmesser sagt mir, dass er läuft wie er soll. Das Heulen des Sturms übertönt einfach alles.
Es gehen noch ein paar böse Böen durch, ohne dass wir uns weiter vom Fleck bewegen, und ich entspanne mich langsam wieder. Zu früh. Denn schon im nächsten Moment geht ein tiefes Stöhnen und Zittern durch das Schiff. Seefalke richtet sich in einem Winkel von ca. 60° zum Wind aus: das gefürchtete und sichere Zeichen, dass der Anker endgültig nicht mehr hält.
Karibiksegler kehren zurück nach Europa
Seit wir am 25. März auf float von den in der Karibik festsitzenden Seglern berichtet haben, gibt es eine Menge Menschen, die sich für deren Rückkehr stark machen und helfen wollen. Vorne dran ist dabei Trans-Ocean, der Verein der Hochseesegler. Still und leise haben die Aktiven ein umfangreiches Konzept erarbeitet, um die Segler sicher aus der Karibik nach Europa zu geleiten. Heute geht es los.
Gleichgültig unter welcher Flagge sie segeln, ob Mitglied oder nicht, bietet der Trans-Ocean e. V. den Rückseglern in der Hurrikan-Hauptzeit – vom 1. Mai bis 30. Juli – kostenfreie Unterstützung bei der Transatlantiküberquerung an.

30 ehrenamtliche Helfer als Geleit über den Ozean
Zusammen mit dem Verein Cruising Club Schweiz und den Amateur-Seefunkern von Intermar haben sich 30 ehrenamtliche Helfer gemeldet. Geleitet wird das Team vom TO-Mitglied Johannes Frost, der selbst 2019 auf der Nordatlantikroute nach Kiel zurückgesegelt ist.
Voraussetzung für die Teilnahme ist, dass die Skipper eigenverantwortlich und nur mit seetüchtigem Boot und entsprechender Crew aufbrechen. Ein rechtlicher Anspruch auf Hilfe ergibt sich dadurch nicht, betont der Verein.

Wie genau die Unterstützung beim Rolling Home über den Atlantischen Ozean aussieht, erfuhr float von Trans-Ocean-Vorstand Peter Wiedekamm. „Wir von TO wollen zeigen, dass wir uns als Segler erstmal selber helfen“, sagt er. „Dafür haben wir dieses Konzept erarbeitet.“ Der Verein mit fast 4.500 Mitgliedern hat über fünfzig Jahre Erfahrung auf See und weltweit etwa 180 Stützpunkte. Darauf baut das Konzept von „Rolling Home“ auf. Es umfasst Lobby-Arbeit, Informationen für die Segler, Wetterinformationen, ein Funknetz über Kurzwelle und Unterstützung im Einzelfall.
Das oberste Ziel ist, aus Sicht des Trans Ocean e. V., einige offizielle Transithäfen entlang der Passage zu ermöglichen. Hier sollen die Crews Proviant, Wasser, Diesel bunkern können, auf das nächste Wetterfenster warten und eventuell Reparaturen am Boot ausführen können.
Fünf Transithäfen stehen auf der Liste
Fünf Transithäfen stehen deshalb als Absprung- und Transithäfen auf der Liste: Bermuda, Horta auf den Azoren, Falmouth in England, Den Helder in den Niederlanden und Cuxhaven, der Heimathafen von Trans-Ocean. Im Hafen von Horta betreibt der TO-Stützpunktleiter das Hafencafé. „Er kann natürlich den Hafen nicht wieder aufmachen, aber er hat gute und vertrauensvolle Kontakte zu den lokalen Entscheidern.“ ergänzt Wiedekamm.

Schwierig wird es nur, wenn ein Hafen auf der Strecke wegen eines Corona-Ausbruchs geschlossen wird und nicht angelaufen werden kann. „ Mein Albtraum ist, dass die Boote lossegeln, es dann auf den Azoren einen großen Corona-Ausbruch gibt und alles zu ist“, fürchtet Wiedekamm.
Fluch(t aus) der Karibik
Die Freiheit hatte sich Wolfgang Bee sicherlich anders vorgestellt, als er seine Yacht „Saoirse“ taufte, was gälisch ist und eben Freiheit bedeutet. Schon seit Tagen liegt die Hanse 455 fest vertäut an einem Steg auf der Karibikinsel St. Martin – und wird diesen Platz auch vorläufig nicht mehr verlassen. Bees Freiheit liegt gewissermaßen in Fesseln. Der Lockdown für den Langfahrtsegler hat einen Grund: die Coronakrise.
Vor knapp zwei Jahren hat der Hamburger sich seinen großen Traum erfüllt. Zusammen mit seiner irischen Frau und seinen beiden kleinen Kindern – die Tochter wird im nächsten Jahr schulpflichtig, der Sohn feiert in knapp vier Wochen seinen zweiten Geburtstag – segelt Bee seitdem über die Weltmeere. Dann kam Corona. Und der Ausnahmezustand.

Wie Hunderte andere Segler auch sitzt die junge Familie in der Karibik fest, die Lage verschlimmert sich von Tag zu Tag. Eine nach der anderen Insel hat ihre Grenzen geschlossen. Yachten dürfen bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr einchecken. Das heißt: kein Proviant, kein Wasser, kein Diesel.
Der Weg nach Europa ist versperrt
Der übliche Weg zurück nach Europa ist versperrt, auch die Ausreise per Flugzeug ist kaum noch möglich. Crewmitglieder, die bei der langen Passage über den Atlantik helfen sollten, können nicht einreisen. Und schlimmer noch: Ende Mai beginnt hier die Hurrikan-Saison. Sichere Häfen gibt es dann nicht mehr.

Die Segler fühlten sich in der Coronakrise alleine gelassen. Sie organisierten sich in WhatsApp-Gruppen, starteten eine Online-Petition an das Auswärtige Amt, baten um Hilfe. Das war am Mittwoch dieser Woche. Zwei Tage später hat die Petition bereits über 500 Unterschriften.
Der deutsche Honorarkonsul für Antigua und Barbuda, Torsten Stenzel, ließ sich in die WhatsApp-Gruppe der deutschen Segler aufnehmen. Er hört sich ihre Sorgen an, vermittelt, berät und gibt Infos. Vor allem aber beruhigt er die Segler. Er gibt ihnen das Gefühl, nicht alleine zu sein.
Der deutsche Konsul verspricht Unterstützung
Gegenüber float verspricht er: „Wir legen uns alle mächtig ins Zeug und ich glaube, dass Deutschland somit am aktivsten ist! Ich denke Antigua liegt auch strategisch gut, um von hier aus loszulegen. Ich werde versuchen, jede Unterstützung zu bekommen.“ Mittlerweile hat Thomas Stenzel 15 weitere Amtskollegen aus der Ostkaribik in die Gruppe geholt.

Wolfgang Bee sieht die Lage in der Karibik trotzdem kritisch, täglich verschärft sich die Corona-Lage, steigen die Fallzahlen rapide an. „Der Lockdown in Antigua und nächtliche Ausgangssperre in St. Martin sind aktuell die großen Kracher“, sagt er. „Welche Auswirkungen der Lockdown auf die Yachten haben wird, ist noch vollkommen ungeklärt.“
Noch sei Antigua quasi ein Schlaraffenland. „Aber ich denke, die Leute werden zum Wochenende mit harten Realitäten konfrontiert.“ Deshalb lässt Bee nichts unversucht. Er war es, der die Bundespolizei über die Lage der deutschen Segler informiert hat. Und er hat der Behörde eine Liste mit betroffenen Yachten zugänglich machte, um Kontakt aufzunehmen.

Die Reaktion kam schnell. „Wir sind Mitarbeiter des Piraterie-Präventionszentum (PPZ) der Bundespolizei und sind der zentrale Ansprechpartner für die deutsche Sportschifffahrt auf ihren Reisen rund um die Welt“, antwortete die Behörde mit Sitz in Neustadt umgehend an alle Yachten und bot „als erste Unterstützung“ Hilfe an.
Wie die Bundespolizei nun noch mal präzisierte, handelt es sich dabei um: die Übermittlung von telefonischen Erreichbarkeiten von deutschen Botschaften. Die Übermittlung von telefonischen Erreichbarkeiten von Trans Ocean Stützpunkten sowie um die Weiterleitung der persönlichen Daten an das Bundespolizeipräsidium in Potsdam mit der Bitte um Weiterleitung an das Auswärtige Amt.
Fluch der Karibik
Es ist der Traum der allermeisten Segler, ein Once-in-a-lifetime-Erlebnis. Einmal den Atlantik überqueren, immer gen Westen über den Ozean, das Ziel die paradiesische Inselwelt der Karibik. Endlose Strände, kristallklares Wasser. Sehnsuchtsorte wie Antigua, Martinique, Barbados oder Guadeloupe locken. Segelromantik pur. Doch dieses Jahr ist alles anders. Der Traum ist zum Albtraum geworden. Hunderte Yachten aus aller Welt hängen in der Karibik fest, allein aus Deutschland sind es Dutzende.
Das Virus Covid-19, besser bekannt als Corona, hat auf seinem Zug um die Welt auch vor der Karibik nicht halt gemacht. Die Inselstaaten reagierten schnell – und rigoros. Viele schotteten sich bereits ab. Stündlich ändern und verschärfen sich die Maßnahmen. Einige Yachten irren von Insel zu Insel, dürfen nicht einlaufen. Nicht einmal, um das Schiff zu proviantieren, Diesel und Wasser zu bunkern.

Die Konfusion ist groß, die Angst wächst. Denn Anker werfen und abwarten, wie sich die Situation entwickelt, geht in der Karibik nicht. Die Hurrikan-Saison naht. Und bis Ende Mai sind es nur noch wenige Wochen. Den sprichwörtlichen „sicheren Hafen“ gibt es nicht mehr. Ein Ausweichen südlich oder nördlich der Zone zwischen dem 10. und 30. Breitengrad ist derzeit unmöglich.
Die USA haben ihre Grenzen geschlossen
Die USA im Norden haben ihre Grenzen geschlossen, ebenso Inseln wie Trinidad und Tobago im Süden. Das Schiff unbemannt zurücklassen ist ebenfalls keine Option. Zum einen gibt es keine Flüge von den Inseln, zum anderen sind die Boote in der Hurrikanzone nicht versichert.
Die Segler sind gefangen. Mit einer Online-Petition an das Auswärtige Amt hoffen sie nun auf Aufmerksamkeit – und auf Lösungen. Schließlich holte die Bundesregierung auch zigtausende Touristen in Fliegern nach Hause.

Siri Mannherr hat die Online-Petition Sailing home ins Leben gerufen. Die Berlinerin sitzt auf Grenada fest, einer Insel der Kleinen Antillen. Seit sechs Jahren reist die Berlinerin um die Welt. Sie ist gut vernetzt in der Community der Weltumsegler und Live-on-boards. Ihr jüngster Auftrag: Als Co-Skipperin einen Katamaran von Grenada über Martinique und die Bermudas nach Europa zu segeln.
Der Eigner darf nicht nach Grenada einreisen
Doch der Eigner hängt auf Martinique fest, er darf nicht nach Grenada einreisen. Und auch die Crew aus Deutschland und Mexiko, die in Martinique aufgenommen werden sollte, darf die Karibik nicht mehr anfliegen. „Jetzt muss ich den Kat irgendwie alleine nach Martinique bringen“, sagt Siri Mannherr. Sie hofft, dass sie dann überhaupt noch die Insel anlaufen darf.

So wie Mannherr geht es derzeit vielen Skippern. Ob Einhandseglern, Senioren oder Familien. Sie müssen die Karibik verlassen. Viele nehmen für die schwierige Passage nach Europa normalerweise Crew an Bord. Doch das ist nun unmöglich. Einreiseverbot! „Das ist unverantwortlich“, sagt Mannherr.
Sie weiß von einigen Booten, auf denen nur noch der Eigner ist, weil die Familie einen der letzten Flüge in die Heimat genommen hat. „Soll der jetzt alleine über den Atlantik segeln?“, fragt die 50-Jährige. Ganz abgesehen davon, dass die übliche Route gen Norden geschlossen ist.

Die Liste des Grauens
Die Ruderregatta über den Atlantik Talisker Atlantic Challenge liegt in den letzten Schlägen, jedenfalls für die führenden Crews. Die letzten Ruderinnen im Feld sind zur Zeit die Atlantik Ladies. Sie liegen über 1.500 Meilen zurück und werden noch Wochen bis in die Karibik brauchen. Deutlich weiter vorn liegt dafür das Frauenteam Kung Fu Cha-Cha aus China, nämlich an Position 6.
Wildes Wetter und Wahnvorstellungen
Alle Teams sind großen Strapazen ausgesetzt, egal ob Einer- oder Vierer-Crew. Die diesjährige Ruderregatta über den Atlantik ist bislang nicht ohne: Schlechte Wetterverhältnisse setzen den Teilnehmern teilweise arg zu. Es wird von gesundheitlichen bis hin zu geistigen Problemen an Bord berichtet.
Die Veranstalter veröffentlichten kürzlich eine Liste der besonderen Vorkommnisse. Liest man diese Aufzählung, kommt man aus dem Schaudern nicht mehr raus. Zu verzeichnen waren in den letzten Wochen bei den Crew:
- Durchkenterungen (mehrere)
- „Knockdowns“ (Kenterungen auf die Seite, mehrere)
- Aus Versehen ausgelöste EPIRB-Rettungssignale (mehrere)
- Kopfwunden
- Zahnprobleme
- Angelhaken im Finger
- Gebrochene Ruder
- Verlorene Schwerter
- Mangelerscheinungen
- Kabelbrand
- Kollisionen mit einem Wal
- Probleme mit der Stromversorgung
- Heimweh
Der kurioseste Punkt, der genannt wurde, ist jedoch dieser: Halluzinationen. Ein Ruderer berichtete, dass er mitten auf dem Atlantik eine sonderbare Erscheinung hatte: ein Zombie, der aus dem Wasser aufsteigt und versucht, das Ruderblatt zu greifen. Knapp einen Monat auf See in einem kleinen Ruderboot, ausgemergelt und mit Mangelerscheinungen – man kann solche Wahnvorstellungen nachvollziehen.

Eine Crew berichtet, dass sie in schwerem Wetter fünfmal an einem einzigen Tag durchgekentert sei. Gerade bei Schwerwetter sind die kleinen Boote dem Spiel der Wellen ohne Schutz ausgesetzt. Zusammen mit der körperlichen Anstrengung und den oftmals auftretenden Ernährungsmängeln setzt die Zeit auf See vielen Teilnehmern enorm zu. Vor allem denen, die die Talisker Atlantic Challenge alleine rudern.
Drei Crews sind uneinholbar vorn
In Führung liegen derzeit die Four Oarsmen aus Großbritannien, gefolgt vom Team Antigua und dem Schweizer Team Swiss Mocean. Die Oarsmen berichten, dass sie wegen des Drucks der anderen Boote aus der Führungsgruppe keinerlei Zeit zum Verschnaufen haben. Und dass sie sich daher strikt an ihre geplante Routine halten müssen. Sie rudern derzeit mit einer Geschwindigkeit von vier Knoten. Sollte nichts Unvorhergesehenes passieren, dürfte ihnen der Sieg beim Talisker Atlantic Challenge kaum noch zu nehmen sein. Im Laufe dieses Samstags sollten sie ankommen.
Wer den Zieleinlauf auf der Karte live verfolgen möchte: Hier geht’s zum Racetracker.

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Die Insel Rum Cay liegt rund 30 km südwestlich von San Salvador. Ihren Namen bekam sie vermutlich von einer untergegangenen Schiffsladung: Spanische Forscher fanden am Strand ein Fass Rum und tauften das von Kolumbus „Santa Maria de la Concepción“ genannte Eiland in Rum Cay um. Die Insel ist ein Traumziel. So wollten auch die beiden frisch vermählten US-Amerikaner Donna und Forrest Sanco vor einigen Tagen ihre Flitterwochen dort verbringen.
Sie kamen jedoch nie an. Zum letzten Mal wurden sie Anfang Oktober beim Auftanken ihrer Cessna 150 gesehen, mit der sie von Texas auf die Insel fliegen wollten. Seitdem fehlt von dem Paar jede Spur. Da der Weg von Texas nach Rum Cay über das Bermuda-Dreieck führt, halten viele aufgeregte Medien die beiden für neue Opfer des berüchtigten Seegebiets im Westatlantik.

Bermuda-Dreieck. Dieses Gebiet gilt bei den meisten Menschen als tödliche Region, in der auf unerklärliche Weise ständig Flugzeuge und Schiffe verschwinden. Immer wieder erfährt man von Unglücken in dieser eigentlich traumhaften Urlaubsecke, die statistisch gesehen völlig harmlos ist.
Wie eine Legende entsteht
Seefahrer gibt es bereits seit der Altsteinzeit. Einer der bekanntesten ist Christoph Kolumbus, der auch im Bermuda-Dreieck fuhr. Damals war diese Region nicht als besonders berüchtigt bekannt. Da wurden zum Beispiel die großen Kaps viel stärker gefürchtet.

Die Legende um das „Teufelsdreieck“ begann erst während des Ersten Weltkrieges. Vorher war das Gebiet niemals groß aufgefallen. Im Februar 1918 verschwand die „USS Cyclops“ ohne jede Spur. An Bord des Kriegsschiffes befanden sich 306 Mann Besatzung. Zunächst wurden die Deutschen verdächtigt, eines ihrer neuen U-Boote eingesetzt zu haben, was diese aber abstritten. Danach wurde vermutet, das schwer beladene Schiff sei aufgrund eines Konstruktionsfehlers auseinandergebrochen. Da aber niemals Wrackteile gefunden wurden, konnte diese Theorie nicht bewiesen werden. So blieb das Verschwinden für immer ein Rätsel und wurde schließlich nicht mehr sonderlich beachtet.

Erst 1942 erinnerte man sich wieder an die USS Cyclops, als gleich zwei ihrer Schwesterschiffe, beide genauso schwer beladen, in dem gleichen Gebiet verschwanden. Da zu dieser Zeit der Zweite Weltkrieg tobte, wurden erneut die Deutschen für schuldig gehalten, die das Ganze jedoch widerlegen konnten. Normalerweise schmückt man sich mit solch fetter Beute. Aber auch, weil dieses Mal wieder keine Wrackteile gefunden wurden, glaubte man ihnen. Erneut stand man ohne Erklärung da. In diesem Moment war der Mythos um das gefährliche Gebiet südlich der Bermudas geboren.
Flug 19

Sicher wäre die ganzen Geschichte in Vergessenheit geraten, wenn es nicht bereits ein Jahr später den Vorfall um „Flug 19“ gegeben hätte. Im Dezember 1945 verschwanden gleich fünf Torpedo-Bomber der US Air Force bei einem regulären Trainingsflug. Kurz vor dem Verschwinden sollen sie noch Funksprüche abgesetzt haben, in denen von fehlerhaften Kompassen die Rede gewesen sein soll. In der anschließenden Suchaktion mit Schiffen und Flugbooten verschwand auch noch eines der Flugboote. Außer einigen Matrosen der Schiffe, die von Explosionsgeräuschen sprachen, und einer Öllache fand man keine Spur des Unglücks. Insgesamt starben 27 Menschen kurz vor Weihnachten 1945.

Keines der bis heute im Dreieck gefundenen Wrackteile stammten von Flug 19. Es gibt mittlerweile mehrere Thesen, die besagen, dass sich der Konvoi verflogen habe und im Golf von Mexiko abgestürzt sei. Belege gibt es dafür jedoch nicht. Stattdessen werden die Unfälle oft dem 3,9 Mio. Quadratkilometer großen Gebiet zwischen den Bermudas, Miami und der Stadt San Juan auf Puerto Rico zugeschrieben. Futter bekommt der Mythos des geheimnisvollen „Todesgebietes“ ausgerechnet von Steven Spielberg: In seinem 1978 erschienenen Film „Die unheimliche Begegnung der dritten Art“ werden die Flieger von Flug 19 von Aliens entführt und zu einem Flugplatz nach Mexiko gebracht. Dort findet man sie schließlich intakt in der Wüste, wie der Filmausschnitt zeigt:
Dichtung und Wahrheit über das Bermuda-Dreieck
Dass nach Flug 19 nahezu jedes Unglück in die mysteriöse Ecke geschoben wurde, zeigt der Absturz einer Passagiermaschine im Jahr 1948: Die DC-3 mit 37 Personen an Bord verschwand auf dem Flug von Puerto Rico nach Miami spurlos. Kurz zuvor soll der Pilot – und „soll“ bedeutet, es ist nicht belegt – in einem Funkspruch gemeldet haben, er sei etwa 50 Meilen südlich von Miami und könne bereits die Lichter der Stadt sehen.
Was dabei jedoch der Legende zuliebe gerne verheimlicht wird: Der Pilot Bob Linquist hatte schon beim Start in Puerto Rico bemerkt, dass sein Funkgerät nicht in Ordnung war. Es ist daher anzunehmen, dass er eine Meldung zur Änderung der Windrichtung nicht erhalten hat und sich somit zum Zeitpunkt seines Funkspruches rund 50 Meilen südlich des angenommenen Kurses wähnte. Die Aussage, er hätte die Lichter der Stadt bereits gesehen, wurden ihm erst später angedichtet.
Apropos angedichtet: Das Abtauchen des Tankers „Marine Sulphur Queen“, der 1963 beladen mit 15.000 Tonnen flüssigem Schwefel und 39 Personen an Bord verschwand, wurde auch dem Gebiet zugeschrieben. Der 20 Jahre alte Tanker sank jedoch westlich von Key West, also weit außerhalb des gefürchteten Dreiecks. Auch der japanische Frachter „Raifuku Maru“ soll laut Freunden der Legende zwischen 1924 und 1928 im Bermuda Dreieck gesunken sein. In Wahrheit verunglückte er jedoch am 21. April 1925 auf dem Weg von Boston nach Hamburg in einem Sturm vor Nova Scotia und somit fast 1.500 Kilometer nördlich der Bermudas.
Die Hysterie ging teilweise soweit, dass Vorfälle aus eher zweifelhaften Büchern wie „Invisible Residents“ von Ivan T. Sanderson (1970) für bare Münze genommen wurden. In dem völlig ernst gemeinten Buch wurde über Außerirdische berichtet, die auf dem Meeresgrund leben. Ein wichtiger Beweis für die mysteriösen Vorgänge sollte eine Boing 727 sein, die im Anflug auf Miami ganze zehn Minuten vom Radar verschwand, bevor sie urplötzlich wieder auftauchte und landete. Die Uhren der Piloten seien nach der Landung zehn Minuten nach gegangen, genau wie die Borduhr. Der Autor gab weder Quellen noch ein Datum noch Zeugenaussagen an. Er konnte diesen Vorfall niemals beweisen. Die Geschichte war einfach nur frei erfunden. Heute nennt man so etwas Fake News.
Naturphänomene?
Mythen ziehen Thesen an. Viele, die dem Aluhut näher stehen als der Wissenschaft, haben teilweise waghalsige Theorien rund um das Gebiet des Bermuda-Dreiecks kreiert. Von gigantischen Wellen, die sogar Flugzeuge vom Himmel holen, ist die Rede. Auch von bösen Monsterkraken und Methanblasen, die vom Meeresboden aufsteigen und ganze Schiffe verschlucken. Und wo Unerklärliches passiert, werden natürlich auch immer wieder mal Aliens rausgekramt. Spielberg sei Dank.
Naheliegende Gründe wie tropische Stürme und schwere See werden meistens außer Acht gelassen – sie passen einfach nicht in ein Gebiet, das Rätsel liefern soll. Immer wieder wird der Mythos Bermuda-Dreieck als Grund für Unglücke und rätselhafte Vorgänge ins Spiel gebracht. Ein Artikel in der BILD-Zeitung berichtete selbst im Jahr 2016 noch, dass „Experten“ vermuten, der „Monsterhai“ Megalodon, der seit Millionen von Jahren als ausgestorben gilt, habe sich im Bermuda-Dreieck „versteckt“. Überschrift: „Was macht der Urhai bei den Nazi-U-Booten?“ Das ist die volle Legenden-Keule.

Eine seriöse Quelle löst all diese Theorien jedoch in Luft auf: Der WWF hat in einer Studie aus dem Jahr 2013 die zehn gefährlichsten Gewässer der Erde aufgelistet. Das Bermuda-Dreieck gehört nicht dazu. Statistisch gesehen passiert dort nicht mehr als anderswo auch. Der Mythos Bermuda-Dreieck ist offensichtlich durch eine Verkettung unglücklicher Unfälle entstanden und wurde durch schlecht recherchierte Beiträge sowie von sensationshungrigen Journalisten in der Öffentlichkeit etabliert.
Donna und Forrest Sanco sind keine Opfer des Bermuda-Dreiecks. Ihr vermutlicher Unfall ist einer von 882 Flugzeugabstürzen, die seit 1945 in den USA registriert wurden. Angehörige sammeln derzeit auf einer Website Spenden für eine private Suchaktion.
Zwei Yachten in der Karibik gestrandet
Die 48 Meter Motoryacht „Elsa“ ist auf der Karibikinsel Saba an Land gespült worden, nachdem sie vermutlich fehlerhaft festgemacht wurde. Passagiere und Crew sind wohlauf, aber es tritt Diesel aus. Insgesamt hat die „Elsa“ mehr als 43.000 Liter Kraftstoff an Bord. Das 2004 unter dem Namen „Grace“ von der Scheepswerf Peter Sijperda in Holland gebaute und für zehn Gäste ausgelegte Schiff ist den Gentleman‘s Yachten um 1900 nachempfunden – eine seinerzeit beliebte Spielart edler Passagierschiffe.
Der Eigner arbeitet mit den Behörden zusammen, um die Yacht zu bergen und weitere Umweltschäden zu vermeiden.
Die Felseninsel Saba, die kleinste bewohnte Insel der ehemaligen Niederländischen Antillen und südwestlich von St. Maarten gelegen, war einige Tagen zuvor aus ähnlichen Gründen in den Schlagzeilen. Hier strandete eine französische Segelyacht an der Felsenküste, konnte aber schließlich aus ihrer misslichen Lage befreit und geborgen werden. Auch bei dieser Strandung werden Fehler beim Festmachen vermutet.
Die örtliche Behörde für Umwelt und Infrastruktur will nun die privaten Bootseigner beraten und darüber aufklären, wie sie ihre Schiffe sicher festmachen.

Kreuzfahrtschiff rettet Segler. Mit Pizza.
Es kommt doch auf die Größe an. Das größte Kreuzfahrtschiff der Welt, die Harmony Of The Seas, empfing vor einigen Tagen während einer Karibiktour eine SOS Meldung der US Coast Guard, die den Meeresriesen um Hilfe bat. Der Skipper einer Segelyacht hatte kurz zuvor einen Notruf abgesetzt, da ihm der Diesel ausgegangen war. Das 362,12 Meter lange Schiff änderte seinen Kurs und fuhr zu der Yacht.
An der Segelyacht angekommen, ließ der Kapitän ein Rettungsboot zu Wasser und schickte dieses mit Diesel zum Havaristen. Und mit Pizza. Kapitän Gus Andersson hatte auch eine entsprechende Erklärung über die Bordansage parat:
Wir haben den Dieselkraftstoff sicher an die Segelyacht übergeben. Sie brauchten keine medizinische Hilfe und sie baten auch nicht um Speisen oder Decken. Allerdings gibt es ein paar Dinge im Leben, die sehr geschätzt werden, wenn Sie in der Mitte des Ozeans sind – wie ein paar Pizzas. Also haben wir ihnen ein paar Pizzas an Bord gebracht als kleine Aufmerksamkeit.
Die Originaldurchsage hört man im Video ab 1:13 Min:
Die Harmony Of The Seas ist für 6.360 Passagiere zugelassen. Sie lief 2015 auf der STX France Werft in St. Nazaire vom Stapel und kostete rund 1,3 Milliarden US Dollar. Die 131.883 PS bringen den Koloss auf maximal 22 Knoten Fahrt.
Hier das Video der freundlichen Rettungsaktion:
https://www.youtube.com/watch?v=WsGMLoYg8F0