Das Ende eines Yachthafens
Aus und vorbei: Am 31. März 2025 wird der Yachthafen Lippe geschlossen. Der idyllische Naturhafen an der Hohwachter Bucht (Schleswig-Holstein) soll an diesem Tag für immer den Betrieb einstellen. Nach Informationen des Betreibers haben sämtliche der mehr als 200 Dauerlieger bereits die formelle Kündigung erhalten.
Für die Bootsbesitzer im Hafen kommt die Entscheidung offenbar völlig überraschend: „Wir haben alle unsere Boote zum Ende der Saison zum 31. Oktober rausgeholt“, sagt Bootseigner Holger Straumann. Da sei alles noch „völlig normal“ gewesen. Andere Eigner hätten ihre Boote eingelagert auf dem Gelände. Als die Schwimmstege abgebaut wurden, habe sich ein Nachbar noch gefreut, dass jetzt scheinbar neues Material installiert werden würde. Doch weit gefehlt: Schnell machte die Nachricht die Runde, dass keine neuen Stege mehr ins Wasser kommen.
Die Entscheidung sei endgültig, so der Eigentümer Graf Franz von Waldersee gegenüber float. Gekündigt hat er auch den Seenotrettern. Lippe, das 2022 offiziell zum Nothafen erklärt wurde, ist seit langem Liegeplatz des Seenotrettungsboots „Woltera“. Von hier aus deckt die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) das umliegende Wassersportrevier zwischen Fehmarn und Kiel ab.
Seenotretter im Hafen gefangen
Das Ende kommt in kleinen Schritten, denn bereits seit 29. November ist die Woltera im Hafen gefangen. Vor der schmalen Hafeneinfahrt befindet sich eine Untiefe, die regelmäßig ausgebaggert werden muss. Aufgrund starker nördlicher Winde in jüngster Zeit sei die Versandung sehr schnell fortgeschritten, so ein DGzRS-Sprecher gegenüber float. Das hatte zur Folge, dass das Seenotrettungsboot mit 0,95 Metern Tiefgang die Barre nicht mehr überwinden kann.

Glück im Unglück: Bisher trat kein Seenotfall ein, der einen Einsatz der Woltera notwendig gemacht hätte. „Die Rettungseinheiten der Nachbarstationen Laboe, Heiligenhafen und Fehmarn decken das Revier in der Hohwachter Bucht mit ab“, so ein DGzRS-Sprecher gegenüber float. Für die Seenotretter kein Grund zur Beunruhigung: Die Stationsdichte sei hoch, auch im internationalen Vergleich.
Überdies hat „die Gesellschaft“, wie die Seenotretter an der Küste genannt werden, bereits im Frühjahr dieses Jahres eine zusätzliche Rettungseinheit auf der benachbarten östlichen Station Fehmarn mit Liegeplatz in Burgstaaken stationiert. Das 8,90 Meter lange Festrumpf-Schlauchboot mit Namen „Helene“ läuft mit maximal 38 Knoten schneller als die meisten Einheiten der DGzRS. Dieses Seenotrettungsboot verstärkt, so die offizielle Mitteilung, den Rettungsdienst im Süden von Fehmarn bis weit in die Hohwachter Bucht hinein.
„Das ist doch mein Lebenswerk“
Die Sandbank ist aber gar nicht schuld daran, dass der Hafen schließt. Ohnehin war für die Ausbaggerung in den vergangenen Jahren das Bundesland Schleswig-Holstein zuständig. Warum also der Rückzug, wo doch an der gesamten Ostseeküste hoher Bedarf an Bootsliegeplätzen besteht?
Laut dem Eigentümer bestehen so hohe Reparaturkosten an der Uferbefestigung, dass er diese Investition nicht aufbringen könne. „Ich bin sehr traurig, das ist doch mein Lebenswerk“, so von Waldersee im Gespräch mit float.
Warum fährt diese neue Schleifähre nicht?
Auf ihre Elektro-Fähre muss die Schlei noch lange warten: Die Umbauarbeiten an der neuen Schleifähre „Missunde III“ werden so umfangreich, dass sie wohl erst Ende 2025 wieder in Betrieb geht. Wenn nicht später. Ein symbolischer Schiffbruch für die Landesregierung von Schleswig-Holstein, in deren Verantwortung die emissionsfreie Fähre entstand – und sich dann als untauglich erwies.
Während sie wieder flottgemacht wird, soll in der Zwischenzeit die mehr als 20 Jahre alte „Missunde II“ als Lückenfüller weiter ihren Dienst auf dem Ostseefjord versehen. Aber das mehr schlecht als recht: Da das Schiff marode ist, wurde ihre Tragfähigkeit um 30 Prozent reduziert. Die Region ist abhängig von der kleinen Seilfähre, da Pendlern und Lieferanten ohne sie ein Umweg von rund 40 Kilometern droht.
Weil die Missunde II so angegriffen ist, sollte sie bereits vor im Frühjahr 2024 durch die funkelnagelneue Elektro-Fähre ersetzt werden. Solarzellen auf deren ausladendem Dach erzeugen Strom, Batterien im Rumpf speichern die Energie. Nachts wird zusätzlich Landstrom geladen. Damit sollte emissionsfreier und fast lautloser Fährbetrieb zu jeder Tages- und Jahreszeit möglich sein, so der Plan.
Warten auf OP-Termin
Doch im Testbetrieb stellte sich heraus, dass die neue Schleifähre ihrer Aufgabe aus verschiedenen Gründen gar nicht gewachsen ist. Und so fuhr zwischen den beiden idyllischen Dörfchen Brodersby und Missunde am Ostseefjord erst einmal gar nichts auf der 150 Meter schmalen Passage über die Schlei. Bis die alte Missunde II reaktiviert wurde. „Wir brauchen ja was für den Sommer“, sagt Schleifährmann Rüdiger Jöns im Gespräch mit float.

Die neue Elektro-Fähre Missunde III liegt seitdem in Kappeln und wartet auf einen OP-Termin. Auch Anpassungen an der Fährstelle sind nötig. Das will die Landesregierung nun in Angriff nehmen. Die Rede ist von Bug- und Heckstrahlrudern und zusätzlichen Dalben, um den Kurs der Fähre quer zur Strömung zu stabilisieren. Doch bis die technischen Details bekannt und die Kosten exakt beziffert sind, werden noch einige Wochen vergehen, wie float auf einer Pressekonferenz zum Thema erfuhr.
Doch was ist überhaupt schiefgelaufen? Am Elektroantrieb der Schleifähre liegt es offenbar nicht: „Daran kann ich mich gewöhnen“, so Fährmann Jöns. Nicht aber an die Dimensionen der Missunde III. „Die Fähre ist für die Verhältnisse einfach zu groß.“ Bei mehr als drei bis vier Windstärken – das entspricht einer leichten bis mäßigen Brise – wird die seilgebundene Fähre derart abgetrieben, dass ein sicheres Anlegen nicht möglich ist.
Nachdem das Malheur erkannt war und Ersatz fehlte, musste das Land Schleswig-Holstein die alte Fähre zurückkaufen. Man hatte sie bereits zum Schrottwert von 17.000 Euro an einen Verwerter abgegeben, berichtete seinerzeit der NDR. Für 50.000 Euro kam sie zurück, ein schönes Geschäft für den Schrotthändler.
Neue Schleifähre ist doppelt so groß
„Damit gehen wir ganz neue Wege“, hatte Staatssekretärin Julia Carstens vom Wirtschaftsministerium bei der Taufe im März noch erwartungsvoll gesagt. Welche Wege die Missunde III dann ging, und welche nicht, hätte sich die Politikerin damals offenbar nicht träumen lassen. Während die alte Schleifähre bei 21 Meter Länge eine Tragkraft von 22,5 Tonnen hat, kann das neue, 34 Meter lange Fahrzeug 45 Tonnen transportieren. Es ist also fast doppelt so groß.

Zu groß, um in der starken Strömung und bei heftigem Wind zielgenau zu manövrieren, wie Fährmann Jöns erklärt. Es kommen weitere Probleme hinzu: Die Seilfähre sei durch das gewachsene Format so behäbig, dass in der Engstelle Verkehrsprobleme auftreten. Jöns: „Im Sommer muss ich dann so viel Querverkehr durchlassen, dass ich nicht genügend Passagen fahren kann, um wirtschaftlich zu sein.“ Wieso ist die Fähre aber so groß geraten?
Nothafen Lippe wieder in Not
So lange es float gibt, so lange gibt es schon Probleme mit dem Yachthafen Lippe an der Hohwachter Bucht (Schleswig-Holstein). Der kleine, idyllische Naturhafen ist eigentlich ein idealer Zwischenhalt für Passagen von Kiel nach Fehmarn oder retour. Wenn man denn hineinkommt: Immer wieder versandet die Hafeneinfahrt. Immer wieder gibt es Streit um die Kosten. Und jetzt ist es erneut so weit.
Das bedeutet nicht einfach ein Ärgernis für 210 Dauerlieger in dem kleinen Yachthafen. Es kann sehr schnell lebensgefährlich werden. Denn Lippe ist Liegeplatz für das 9,50 Meter lange Seenotrettungsboot „Woltera“ der DGzRS. Kann die Woltera bei einem Einsatz nicht mehr auslaufen, verzögert sich die Rettung schlechtestenfalls um Stunden. Die nächste Seenotretter-Station Heiligenhafen liegt mehr als 15, Laboe (bei Kiel) mehr als 25 Seemeilen entfernt.
Die Situation ähnelt in gewisser Weise dem Gezerre um den Nothafen Darßer Ort (Mecklenburg-Vorpommern), den über Jahrzehnte immer wieder Versandung bedrohte – und der ebenfalls als Standort eines Rettungskreuzers der DGzRS unverzichtbar ist. Erst kürzlich konnte dort eine dauerhafte Lösung gefunden werden: Ein ganz neuer Hafen entsteht weiter östlich bei Prerow, der im Sommer 2024 eingeweiht werden soll.
Vorm Hafen ist es schon wieder seicht
Für Lippe ist jedoch kein Ersatz in Sicht. Ein Neubau wäre allerdings auch nicht notwendig – anders als Darßer Ort liegt der kleine Naturhafen nicht im Nationalpark, so dass die Nutzung grundsätzlich auch in Zukunft zulässig ist. Wäre da nicht die Barre vor dem Hafeneingang. Strömung und Wellengang sorgen dafür, dass die Durchfahrt in kürzester Zeit verstopft ist. Nach Kenntnis der DGzRS wurde sie zuletzt 2023 für eine Tiefe von 3,20 Meter ausgebaggert.

Der ansässige Yachtclub Lippe empfiehlt auf seiner Website grundsätzlich, vor Ansteuerung den Hafenmeister zu kontaktieren, ob die Passage überhaupt noch möglich sei. Das tat float dann auch – und erhielt lakonisch die Auskunft: „Im Moment 1,40 Meter, aber das ist bald wieder dicht.“
DGzRS-Sprecher Patrick Testa-Kreitz bestätigt diesen Wert auf Anfrage von float. Damit sei die Woltera mit einem Tiefgang von 0,95 Meter noch nicht unmittelbar lahmgelegt, aber: „Bei Wasserstandschwankungen von etwa 30 Zentimetern, wie sie durch lange Zeit vorherrschende Winde aus einer Richtung eintreten können, wäre das Auslaufen schon jetzt nicht immer ohne Weiteres möglich.“
Dazu sei es zum Glück noch nicht gekommen. Den letzten Hilfseinsatz für einen gekenterten Katamaran konnte die Woltera Anfang Juni erfolgreich durchführen. Aber es ist absehbar, dass vor dem Yachthafen Lippe bald gar nichts mehr geht. „Wir sind in Gesprächen mit den Behörden und hoffen, dass da schnell etwas geschieht“, heißt es von den Seenotrettern.
Warum wird nicht einfach gebaggert?
Offenbar hätte die Barre längst abgebaggert werden müssen. Im vergangenen Jahr kostete das laut lokaler Berichterstattung rund 100.000 Euro. Die Zuständigkeit liegt beim Landesinnenministerium. Man ist sich der Problematik durchaus bewusst: 2022 wurde der Yachthafen Lippe offiziell als Nothafen deklariert. Diese Firmierung erlaubte eine einfachere Budgetierung der Baggerarbeiten als zuvor. Doch richtig einfach scheint es immer noch nicht zu sein.
„Wir arbeiten an einer zeitnahen Lösung, die auch notwendige Ausbaggerungsarbeiten auf Kosten des Landes beinhalten kann. Dazu ist das Ministerium mit den zuständigen Stellen im Austausch“, teilte die Behörde bereits vor längerer Zeit den „Kieler Nachrichten“ mit. Dem Vernehmen nach führte eine Reorganisation zu Verzögerungen: So war die Zuständigkeit für den Nothafen vom Referat Katastrophenschutz in das Referat Feuerwehrwesen verschoben worden. Offensichtlich beschränkte sich die Umstrukturierung nicht darauf, einen Aktenordner neu zu beschriften.
Eine float-Anfrage ergab, dass überdies eine schlichte Formalität eine weitere Verzögerung verursachte. „Aufgrund der ausgelaufenen Ausbaggerungsgenehmigung der Deutsch-Dänischen-Wasserbau GmbH (DDW) ist das Antragsverfahren zur Ausbaggerungsgenehmigung an der Hafenzufahrt Lippe neu initiiert worden“, teilt ein Sprecher des Ministeriums mit. Sprich: Die zuständige Baggerfirma kann nicht baggern, weil ihre Bagger-Erlaubnis abgelaufen ist.

An der Behebung dieses Schicksalsschlags wird nun mit höchsten Anstrengungen gearbeitet. Das Ministerium macht indes Mut, dass die Baggerarbeiten bald losgehen können. Bereits in dieser Woche sei der nächste Schritt geplant. Denn „zur Ermittlung erforderlicher Bodenprobenentnahmestellen und zur Bestimmung der notwendigen Bodenaushubmasse, für die im weiteren Verlauf ein Verbringungsort zu bestimmen ist, ist in einem ersten Schritt eine Seevermessung zu beauftragen.“
Auch hier die Übersetzung für Normalbürger: Man baggert nicht einfach drauflos, sondern kalkuliert zuvor, wie viel Aushub dabei anfällt – der anschließend entsorgt werden muss. Diese Kalkulation, „Seepeilung“ genannt, findet voraussichtlich in den nächsten Tagen statt. „Weitere Schritte schließen sich an. Zum konkreten zeitlichen Ablauf kann allerdings aktuell nichts gesagt werden“, teilt das Innenministerium von Schleswig-Holstein mit.
Nationalpark Ostsee wieder auf dem Tisch
Die Idee zur Einrichtung eines Nationalparks Ostsee an der schleswig-holsteinischen Küste hat hohe Wellen geschlagen. Die seit 2022 amtierende, schwarz-grüne Landesregierung hatte den Schutz der Ostsee in den Koalitionsvertrag geschrieben, wollte die Zustimmung zu dem Projekt unter Einbeziehung der Interessengruppen in einem sogenannten Konsultationsprozess prüfen lassen. Im Herbst schien das Thema beerdigt. Jetzt ist es wieder da. Im Februar soll es eine Entscheidung geben.
SH-Umweltminister Tobias Goldschmidt hatte den Nationalpark zum „Goldstandard“ des Ostseeschutzes erklärt und damit von vornherein viele Interessengruppen gegen sich aufgebracht. Vertreter aus Wassersport, Tourismus und Wirtschaft an der Küste fürchteten durch Nullnutzungs- und Verbotszonen in dem Gebiet, das sich von der Flensburger Förde bis nach Fehmarn erstrecken soll, um ihr Betätigungsfeld bzw. ihre Existenz.
Unterschriften und Umfrage pro Nationalpark
Anfang Oktober schien die Nationalparkidee endgültig geplatzt, als sich nach erheblichen Protesten von Wassersportlern, Fischern, Wirtschaft und Tourismus der CDU-Landesparteitag gegen das Projekt aussprach. Nun aber scheint wieder alles offen: Im Dezember übergab die Initiative „Pro Nationalpark Ostsee“ nach einer Online-Petition an SH-Ministerpräsident Daniel Günther eine Unterschriftenliste von 93.559 Unterzeichnern, die den Nationalpark wollen.
Und der BUND legte noch einmal nach. Er hatte im Dezember in Schleswig-Holstein eine Umfrage in Auftrag gegeben und präsentierte nun das Ergebnis: Demnach wollen rund 54 Prozent der Bevölkerung in Schleswig-Holstein einen Nationalpark. „Das Ergebnis macht Mut und bestärkt uns darin, weiterhin für einen Nationalpark Ostsee einzutreten“, sagte Ole Eggers, Geschäftsführer des BUND SH, in einer Presseerklärung.
Auf der Gegenseite sieht man in der Umfrage indes erhebliche handwerkliche Fehler. So bemängelt Jochen Czwalina, ein Motor der Nationalpark-Gegner, dass die Umfrage nur allgemein zu einem Nationalpark in der Ostsee abfragt und keinen Bezug zu der tatsächlichen Potenzialkulisse an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste herstellt. „Wer dies nun beantwortet, bezieht sich also auf eine Ostseefläche von 41.250.000 ha. Die aktuelle Potenzialfläche inklusive Truppenübungsplätzen beläuft sich auf 160.000 ha, also nur 0,39% der Ostsee“, so Czwalina. Auffällig ist zudem, dass es in den betroffenen Kreisen an der Ostsee tatsächlich keine mehrheitliche Zustimmung zum Nationalpark gibt.

Trotzdem griffen die Grünen das Umfrageergebnis gern auf. „54 Prozent der Schleswig-Holsteiner*innen sind für einen Nationalpark Ostsee und nur 28 Prozent wirklich dagegen – das sind gute Nachrichten“, erklärt die Grünen-Landeschefin Anke Erdmann. Die Gegner des Nationalparks kanzelt sie zudem zu einer „lauten, aber kleinen Minderheit“ ab.
Diskussionsfronten von Beginn an verhärtet
Damit ist wieder Feuer in der Diskussion, deren Fronten von Beginn an verhärtet waren. Von einem ergebnisoffenen Diskurs, der in den Konsultationen gepflegt werden sollte, konnte keine Rede sein. So stellte die Eisenschmidt Consulting Crew (ECC), die den Prozess leitete, in ihrem Abschlussbericht fest: „Unserer Beobachtung nach fand im Rahmen des Konsultationsprozesses über weite Strecken wenig echter Diskurs im Sinne einer Erörterung oder Diskussion statt.“
Neuer Ostsee-Nationalpark: Bedrohung oder Schutz?
Die Pläne für einen Nationalpark Ostsee erhitzen die Gemüter in Schleswig-Holstein. Seit Landesumweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) seine Idee für einen Schutzraum in der Ostsee entlang der Küste von Flensburg bis nach Fehmarn öffentlich gemacht hat, laufen Wassersportler, Vertreter der Tourismusbranche, der Fischerei und Wirtschaft Sturm gegen die Pläne.
Sie befürchten erhebliche Einschränkungen bis hin zum Verlust der Existenzgrundlage. Den Schutz der Ostsee wollen alle Interessengruppen vorantreiben. Das Einrichten eines Nationalparks sehen viele von ihnen aber nicht als zielführendes Mittel.
Das Bekenntnis der schleswig-holsteinischen Landesregierung zur Verbesserung des Umweltzustandes der Ostsee ist 2022 grundsätzlich im Koalitionsvertrag zwischen CDU und Bündnis 90/Die Grünen festgeschrieben worden. Konkrete Maßnahmen sind aber nicht festgelegt. Der möglichen Einrichtung eines Nationalparks wurde lediglich ein Prüfauftrag erteilt.
Große Befürchtungen
Mit der Vorstellung der Nationalparkgrenzen, der sogenannten Potenzialkulisse, hat Umweltminister Goldschmidt große Befürchtungen ausgelöst. Ob es allerdings zur Eingabe eines Gesetzes zur Einrichtung eines Nationalparks komme, sei noch offen und hänge von den Konsultationen mit den Interessenverbänden ab, so Goldschmidt.

„Ich rufe dem Wassersport zu: Informiert euch! Denn ich nehme wahr, dass einige der Sorgen, die aktuell in der Wassersportszene kursieren, in der Sache völlig unbegründet sind und sich dennoch weiterverbreiten“, so der Landesumweltminister gegenüber float.
„Zum Beispiel kursiert das Gerücht, man wolle den Wassersport weitgehend aus der Ostsee verdrängen. Das ist falsch. Es geht um einen Ausgleich der Interessen des Wassersports und des Naturschutzes.“ Und dafür gebe es viele Möglichkeiten, so Goldschmidt.
Ministerpräsident stellt sich hinter Umweltminister
„Genauso heißt es häufig, eine Nationalparkgründung würde mit einem Kontrollverlust gegenüber der EU einhergehen. Auch das ist nicht richtig“, erklärt der Minister. „Ein Nationalpark ist ein Landesgesetz. Deswegen diskutieren wir die Einrichtung ja auch hier im Land und nicht in Brüssel. Das Landesparlament bleibt im Fahrersitz.“

Nachdem es lange schien, als sei das Nationalpark-Projekt vor allem ein Anliegen von Bündnis 90/Grünen in der schwarz-grünen Landesregierung, hat sich nun auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hinter die Pläne seines Umweltministers gestellt: „Das Ziel steht fest: ein besserer Schutz für unsere Ostsee. Ein Nationalpark könnte durchaus Vorteile haben“, sagt Günther in einem Interview mit dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag.
Über die Eingabe eines Gesetzentwurfs zur Einrichtung eines Nationalparks will die Landeskoalition im Herbst entscheiden. Im Sommer haben nun die Podiumsdiskussionen und Konsultationen begonnen. Am 11. Juli trafen die Vertreter des Umwelt- und Innenministeriums mit Vertretern des Wassersports zusammen.
„Der Sund wird bunt“ mit 300 Booten
Schon vorher hatten Surfer, Kiter, Taucher und Segler ihrem Ärger deutlich Luft gemacht. So war Ex-Surfweltmeister Vincent Langer rund um Fehmarn gesurft. „Ich wollte zeigen, dass durch einen Nationalpark für den Sport viele Einschränkungen zu befürchten sind. Ich bin nicht gegen Naturschutz – ganz im Gegenteil! Aber der Nationalpark ist nicht der richtige Weg, um die Ziele zu erreichen“, so Langer.

Am 30. Juni versammelte sich vor Fehmarn ein breites Aktionsbündnis aus Seglern, Motorbootfahrern, Berufs- und Freizeitfischern, Board-Sportlern und Kanuten zu einer Sternfahrt – unter dem Slogan: „Der Sund wird bunt“. Es war eine seltene Einigkeit zwischen Seglern, Motorbootfahren und Tourismusschifffahrt mit circa 400 beteiligten Wasserfahrzeugen.
Jochen Czwalina von der Initiative Freie Ostsee Schleswig-Holstein erklärt im float-Interview die Aktion: „Der gesamte Prozess benötigt Aufklärung. Der Schutz der Ostsee ist nicht ausschließlich mit dem juristischen Mittel eines Nationalparks zu lösen.“ Seine Befürchtung: „Die Verhältnismäßigkeit der Einschränkungen durch eine Nullnutzungszone, die nach internationalem Maß zu mindestens 75% erfüllt sein müsste, steht nicht nur dem Erholungsbedürfnis der Deutschen konträr entgegen. Ein ganzes Lebensgefühl und ganze Existenzen stehen langfristig auf dem Spiel!“
Dem widerspricht Goldschmidt im float-Interview: „Wassersport ist in einem Nationalpark möglich. Segeln wäre grundsätzlich möglich, auch in der Kernzone. Die Zufahrten zu den Segelhäfen bleiben offen. Auch das Surfen und Kiten wird in einem Nationalpark Ostsee möglich sein.“
Explosiver Gruß vom Meeresgrund
Die Seenotretter griffen zum Fernglas: Was trieb da an diesem trüben Oktobertag 2021 nördlich vom Darßer Ort in der Ostsee? Nur eine alte Mülltonne – oder eine Weltkriegsbombe oder anderer Überrest vergangener Kriege? Der Rettungskreuzer „Nis Randers“ verständigte die Behörden. Die Besatzung eines herbeigerufenen Zollboots bestätigte dann den Verdacht: Das Objekt war ein Torpedo des Typs 53 aus sowjetischer Fertigung.
Ein böser Gruß aus vergangenen Zeiten. Eine U-Boot-Waffe dieses Typs versenkte unter anderem auch das Flüchtlingsschiff „Wilhelm Gustloff“ 1945. Das größte Einzel-Schiffsunglück der Geschichte kostete 9000 Menschenleben. Für den Fund vor Darßer Ort konnten die Behörden indes Entwarnung geben: Das Treibgut hatte keinen Sprengkopf mehr, es war nur die Antriebseinheit. Der halbe Torpedo wurde in Schlepp genommen und später verschrottet.
Nicht immer gehen solche Begegnungen mit der kriegerischen Vergangenheit gut aus: Regelmäßig taucht Militärschrott in den Netzen von Fischern auf. Oder er verhakt sich in Ankern. Oder die Wellen treiben ihn ans Ufer. Weltkriegsbomben und -granaten liegen zu Tausenden an vielen Stellen der Nord- und Ostsee. Explosive Zeitzeugen, die immer noch so gefährlich sind wie vor 75 Jahren. Was tun, wenn so eine Weltkriegsbombe am Anker hängt?


„Sofort die Polizei anrufen“, sagt Hans-Jörg Kinsky vom Kampfmittelräumdienst Schleswig-Holstein. Ist das explosive Objekt schon auf Deck, zum Beispiel im Netz, hilft nur kaltes Blut. Hängt es am Anker, solle man versuchen, es wieder am Grund abzusetzen. „Im Zweifelsfall muss der Skipper dann auf den Räumdienst warten, da man ja nicht weiß, ob das Ding noch weiter dranhängt“, so der Experte gegenüber float.
Position melden und andere warnen
Ob nun als Taucher unter oder als Bootsfahrer über Wasser, grundsätzlich gelte für Munitionsfunde auf See das Gleiche wie an Land: Nicht anfassen, schon gar nicht bewegen! Position merken, Meldung machen, andere warnen. „Für Fischer kann das sogar einen Verdienstausfall bedeuten, wenn die etwas im Netz haben“, sagt der Mann vom Kampfmittelräumdienst.

Für Schäden durch alte Weltkriegsbomben, ob nun durch Detonation oder Kollision, kommt die Kaskoversicherung einer Yacht übrigens nicht auf. „Schäden durch Kriegsmitteleinwirkung sind nicht gedeckt“, so Holger Flindt vom Yachtversicherer Pantaenius zu float. Allerdings können sich Eigner diesen speziellen Schutz dazukaufen, die Mehrkosten betragen maximal zwanzig Prozent zum Kasko-Beitrag.
Brandwunden durch Phosphor-Reste
Besonders mörderisch: die Reste von Brandbomben. Wer den so genannten „falschen Bernstein“ auffischt oder aufhebt und in die Tasche steckt, riskiert schwerste Verletzungen. Es handelt sich um weißen Phosphor, essentieller Bestandteil der gefürchteten Brandbomben. Er entzündet sich bei Raumtemperatur in Reaktion mit dem Sauerstoff der Luft von selbst, erreicht dann Temperaturen von 1300 Grad Celsius.
Strandspaziergänger beobachten mitunter Brände von trockenem Seegras nahe der Brandungszone. Wer das für Auswirkung von Sonnenstrahlen auf Glasresten hält, liegt zumeist falsch. Angespülter Phosphor kann so etwas verursachen. Die meisten Altlasten stammen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit. Die Reste von Nazi-Deutschlands Arsenalen mussten schnellstens entsorgt werden. Man kippte sie ins Meer oder versenkte gleich ganze Schiffe, die es als Ladung führten.
Riesige Mengen kippte man ins Meer
Was heute fassungslos macht, erklärte sich damals aus der schieren Menge: Etwa 70.000 Tonnen chemische Kampfstoffe lagerten um Kriegsende in Deutschland. Dass die Nazis sie nicht eingesetzt hatten, grenzt an ein Wunder. Aber die Massenvernichtungs-Munition musste anschließend schnell verschwinden. Für die Entsorgung von Nervengiften gab es damals noch kein Konzept. Daher entschlossen sich die Siegermächte, sie zu versenken. So geschah es auch mit konventioneller Munition in noch erheblich größerem Umfang.


Insgesamt landeten in der Nachkriegszeit auf diesem Wege rund 1,6 Millionen Tonnen Kriegs-Müll in der Nord- und Ostsee. Seit über 70 Jahren verrotten nun Tausende und Abertausende Sprengkörper mit tödlichem Inhalt in Tiefen zwischen zehn und über tausend Meter. Wie das Beispiel vom „falschen Bernstein“ zeigt, verschwindet das Problem damit nicht einfach. Auch im Wasser geht die böse Saat auf: So ist der Sprengstoff TNT, den die Deutschen im Krieg verwendeten, giftig und krebserregend.