Ob Wochenend-Törn oder Langfahrt, eine gut ausgestattete Bordapotheke sollte sowohl auf Segelyachten als auch auf Motorbooten vorhanden sein. Viele Wassersportler vertrauen darauf, dass alles gut geht. Ein Fehler, sagt Jan Gerlach. Der Segler ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Rettungs- und Intensivmedizin sowie Reisemediziner mit amtlicher Gelbfieberimpfstelle. Wir haben ihn gefragt, was zur Erstversorgung in eine gute Bordapotheke hineingehört.

Der gebürtige Hamburger segelt seit seinem vierten Lebensjahr. Er kennt deshalb die unzähligen Möglichkeiten, sich an Bord zu verletzen, sehr gut aus eigener Erfahrung. „Viele Verletzungen entstehen nicht in Extremsituationen, sondern aus Unachtsamkeit.“ Vom Baum getroffen zu werden und sich dabei eine Platzwunde am Kopf zuzuziehen gehört genauso dazu, wie Enden der Leinen durch die Hände rauschen zu lassen. Oder ein Hähnchen zu essen, das schon zu lange im Bord-Kühlschrank lag.

Erstversorgung
Gerade auf hoher See ist die Erstversorgung ausschlaggebend für die anschließende Weiterbehandlung. Ist das nächste Krankenhaus noch viele Seemeilen entfernt, entscheidet die erste Hilfe an Bord über den späteren Verlauf. Jan Gerlach nennt ein Beispiel: „Eine kleinere, wenig klaffende Schnitt- oder Risswunde kann maximal bis zu sechs Stunden nach dem Unfall noch adäquat genäht werden. Aber mit gesundem Menschenverstand und entsprechender Bordapotheke kann die optimale Versorgung der Wunde bereits an Bord erfolgen.“
Die Wunde muss erst gereinigt und desinfiziert werden. Anschließend wird mithilfe eines Wundklebers die klaffende Wunde geschlossen und mit Klammerpflastern, den Steristrips, gesichert. Fadenzug und lokale Betäubung entfallen bei dieser Behandlungsart. „Natürlich kann ich das nicht machen, wenn der halbe Arm offen liegt“, sagt Jan Gerlach. „Aber bei den Schnitt- und Risswunden, die häufig bei Arbeiten an Bord entstehen, ist das völlig in Ordnung.“
Ruhigstellen
Ebenso unverzichtbar für die Bordapotheke ist eine knickbare Aluminium-Polsterschiene (SAM-Splint). Durch Knicken der Schiene in drei mögliche Formen – je nach vorhandener Verletzung in U-, T- oder C-Form – versteift sich das Blech und bewirkt so eine Ruhigstellung des verletzten Körperteils. „Der SAM-Splint ist zudem röntgendurchlässig – ab ins nächste Krankenhaus und schauen, was alles gebrochen ist“, sagt Jan Gerlach. Frakturen des Unterarms, Handgelenks, Fingers sowie Unterschenkels und Sprunggelenks immobilisiert man mit der Aluschiene: „Damit ist der SAM-Splint ideal für die prä-klinische Traumaversorgung geeignet.“

Wundversorgung
Notwendige Instrumente wie Verbands- und Irisschere, Splitter- und anatomische Pinzette, Einmal-Skalpelle sowie Arterienklemme oder Tourniquet, Fieberthermometer und Augendusche gehören seiner Meinung nach ebenfalls zu einer vernünftigen Bordapotheke. Desinfektionsspray für Wunden und Schleimhäute, unterschiedliche Binden, sterile Kompressen und Fettgaze, Pflaster für unterschiedliche Anwendungsgebiete, Wundkleber, Steri-Strips und auch Wundbenzin vervollständigen den Bereich der Wundversorgung an Bord.
ASS oder Aspirin bitte zuhause lassen. Bereits eine Tablette beeinflusst die Blutgerinnung für zehn Tage.
„Allerdings würde ich jedem ans Herz legen, einen Erste-Hilfe-Kursus regelmäßig zu belegen“, sagt Jan Gerlach. „Es ist wie beim Segeln, nur die Übung macht’s.“ Das ist ebenso wichtig wie ein regelmäßiges Sicherheitstraining. Gegen Schmerzen sollten Paracetamol, Ibuprofen oder – rezeptpflichtig – Novalminsulfon im Schapp liegen: „ASS oder Aspirin bitte zuhause lassen. Bereits eine Tablette beeinflusst die Blutgerinnung für zehn Tage, so dass eine erhöhte Blutungsgefahr besteht.“
Krämpfe und Seekrankheit
Bei Krämpfen im Bauchbereich schafft Buscopan beziehungsweise Buscopan plus oftmals Abhilfe. Für die Seekrankheit gibt es leider noch immer kein Allheilmittel. Viele der Medikamente aus dem Antihistamin-Segment machen müde, andere bringen nicht den gewünschten Effekt. Dimenhydrinat-Kaugummis sind für Tagesausflüge gut geeignet, „aber bei Langfahrt ständig Kaugummi kauen zu müssen, ist auch enervierend“.
Ein Kommentar
Wir sind einmal um die Welt gesegelt und unsere Bordapotheke hat mindestens den doppelten Umfang. Das meiste haben wir zum Glück nie gebraucht. 🙂
Aber eine antibiotische Salbe ist absolutes Muss! Zumindest in wärmeren Gefilden. Die wird hier im Beitrag nicht erwähnt. Sowie Tropfen gegen „swimmers ear“.