Was für eine Show! Was für ein Auftritt! Um die originale Bente 24 ranken sich schon jetzt, gerade mal eineinhalb Jahre nachdem die ersten Probeschläge auf dem Kleinkreuzer-Prototypen gesegelt wurden, Ehrfurcht erregende Erfolgsstories. Mehr als 50 Boote der Vrolijk-Boden-Entwicklung, zu dem man als Internet-User über die gesamte Entwicklungsgeschichte hinweg seinen „Senf hinzugeben“ und somit konstruktiv mitgestalten konnte, wurden mittlerweile fest geordert. Und der ganze Hype scheint kein Ende zu nehmen: „Die rennen uns die Bude ein!“ meint „Digger“ Stephan Boden zufrieden grinsend. „Mit jeder Messe, auf der wir immer spannendere Bente-Versionen ausstellen, wird unser Fangemeinde größer!“ So weit, so gut. Doch was ist die Green Bente 24?
Zwischen all’ dem Bente-Gedöns gedieh im Laufe des letzten Jahres fast schon im wortwörtlichen Sinne ein zartes Pflänzchen namens „Green Bente“, das sich mit einer fürs Grünzeug ja bekannten Beharrlichkeit nach oben, Richtung Licht kämpfte. Und es bis heute immerhin so weit geschafft hat, dass seine Blüten mit denen der Original-Bente wetteifern…
Die „Green Bente“ heißt wie sie heißt, weil sie tatsächlich einen „grünen“, im Sinne von „ökologischen“ Ansatz im Bootsbau verfolgt: Der 7.50 Meter lange Kleinkreuzer wurde nahezu ausschließlich im Sandwichverfahren aus Kork, mit Flachsfasern statt Glas und Harz auf Leinölbasis (60%) laminiert. Also größtenteils nachwachsende und somit ressourcenschonende Naturmaterialien, deren optimale Eignung für den Bootsbau längst wissenschaftlich anerkannt ist – die jedoch bis dato kaum jemand in Segelbooten verbaute.
Dass zunächst der Name „Bio-Bente“ im Umlauf war und dann u.a. aus den Internet-Reihen der Bente-Fangemeinde stark kritisiert wurde, soll hier nur am Rande erwähnt werden. Einmal mehr können die Bente-Macher ihren „Followern“ dankbar sein, weil diese sie vom ausgesprochen dünnen Eis rund um den Begriff „Bio“ herunterholten. Denn ein Rigg aus Aluminium oder etwa einen Kielbereich aus Carbon kann man beim besten Willen nicht in die „Bio“-Tüte stecken respektive als „biologisch“ verkaufen.
Wer hat’s erfunden?
Der Bremer Bootsbaumeister Friedrich Deimann (Ausbildung bei den Holzbootspezialisten Fricke und Dannhus in Lembruch am Dümmer, danach jahrelang bei der Kunststoff-Bootswerft Meyer an der Lesum), war schon früh auf der Suche nach einer „Alternative“ zu den Serienboot-Werkstoffen Glasfasern, Erdöl in Verbindung mit Lösungsmitteln und anderer Chemikalien. Die gesundheitlichen Beschwerden älterer Kollegen, die bereits jahrelang den „Duft“ des GFK-Serienbootsbaus einatmen durften, taten ihr Übriges.
So war es also nur folgerichtig, dass Friedrichs Meisterstück ein Kajak aus sogenannten Naturfaserverbundwerkstoffen war – und er sozusagen mit dem gerade überreichten Meisterbrief in der Hand seine eigene Werft „Green Boats“ gründete. Diese nach Friedrichs Aussagen „erste, nachhaltig orientierte Bootswerft in Deutschland“ baut nun seit 2013 Boote größtenteils aus nachwachsenden Rohstoffen im Vakuuminfusionsverfahren.
Unter dem Begriff „Holz 2.0“ hat Friedrich Deimann gemeinsam mit seinen mittlerweile zwei Mitarbeitern eine Methode entwickelt, die alle Vorteile des modernen Kunststoffbootbaus mit dem Einsatz von Naturfasern buchstäblich verbindet. Dabei erreichen sie mit den Werkstoffen Flachs, Kork und mit einem Epoxidharz auf Leinölbasis erstaunliche Ergebnisse, die sich in Sachen Festigkeit, Formbarkeit, Leichtbau und schon gar nicht beim Thema Umweltbilanz vor keinem anderen der derzeit gängigen Bootsbaumaterialien verstecken müssen.
Dass derart innovative, in der Bootsbauszene schnell bekannt gewordene Typen wie Friedrich mit den Herrschaften, die an einem „Internetcrowd“-Kleinkreuzer mit dem skurrilen Namen „Bente“ bastelten, bald mal „brainstormen“ sollten, lag also auf der Hand. Das Ergebnis dieses Hirnens und mehr als 2.000 anschließenden Arbeitsstunden glänzt nun formschön in der Mittagssonne über dem Bodensee: Die Green Bente. Schon optisch ein wahres Schätzchen, das wir nun probesegeln dürfen.
Der erste Eindruck
Ein Blick auf den Rumpf des fünfzig Meter entfernt, am Steg dümpelnden Kleinkreuzers lässt nur den einen Gedankengang zu: Wow, ein richtig heißer Karbonrenner ist das! Moment mal – wurde da gerade Karbon gedacht? Tatsächlich spielt einem auf Entfernung die Green Bente einen ersten, gutmütigen Streich. Durch eine Klarlackierung des Rumpfmaterials und sowieso aufgrund eher sportlich-schnittiger Bente-„Kurven“ entsteht zumindest aus der Ferne ein „Hauch von Carbon“. Ob das nun gut oder schlecht ist, muss der Geschmack des Betrachters entscheiden – dem Autor gefällt’s jedenfalls, zumal ja das Cockpitdach über dem Niedergang in giftigem Grün gehalten ist.
Logisch, eine Reminiszenz an den Namen des gefälligen Schiffchens. In jedem Fall aber deutlich besser als dieses jung-anbiedernde Orange der Original-Bente. Schon ein paar Schritte näher ändert sich dieser erste Renner-Eindruck gewaltig. Beim Blick AUF die Green Bente schaut man schlicht und ergreifend auf ein Cruiser-typisches, auf manchen vielleicht ein wenig altbacken wirkendes, jedoch „schiffiges“ Stabdeck. Das freilich nicht aus edlen Hölzern naturgeschützter Dschungelbäume, sondern aus erwähntem Kork geschnitten wurde. Scharfe Kurven, starker Look und ein bisschen Nostalgie… macht Lust auf mehr, diese grüne Bente.
Der zweite Blick
Nun ist es so, dass ja schon reichlich Bente-Tests von vielen internationalen Fachredakteuren durchgeführt wurden. Bei denen schließlich immer wieder das gleiche, ins Neudeutsche übersetzte Zertifikat erteilt wurde: Supergeil!
Und im Prinzip geschieht heute am Bodensee nichts anderes als eine weiterer Bente-Probefahrt – nur dass diese Bente eben aus einem anderen Material gefertigt wurde. Speed- oder Höhenvergleiche sind mangels Sparringpartner respektive GFK-Bente letztendlich nicht machbar. Entsprechend konzentrieren wir uns zunächst auf die maßgeblichen Unterschiede beider Bootsausführungen, bevor wir „gefühlt und streng subjektiv“ nachspüren, ob das segeltechnisch wirklich alles so dolle ist mit diesen Bentes, wie immer behauptet wird.
Während wir unter Motor mit dem Torqeedo Cruise aus dem Interboot-Hafen schnurren und noch bevor irgendwelche Segel gesetzt werden, fällt der Autor auch schon durch affiges Verhalten auf. Der will nämlich wissen, wie hart das Deck aus Naturfaserverbundwerkstoffen im Vergleich zu seinem „uralt-aber-steinhart-Carbon-Mini-6.50“ ist. Deshalb hüpft er unter Friedrichs irritiert wirkenden Blicken mit seinen 80 Kilogramm Lebendgewicht wie ein erregter Schimpanse auf und ab, trampelt wie das Tier gleichen Namens über das gesamte Schiff und kehrt zufrieden wieder an die Pinne zurück: Da bewegte sich nichts, aber auch wirklich gar nicht unter den Füßen.
Noch Positiveres gibt es von der Bootsbeschau im Detail zu berichten. Nein, wir sind nicht mit Lupe übers Deck, aber es wurden „gewissenhaft“ Kork-Deck, Cockpit, Niedergangs und das Bootsinnere begutachtet. Dabei fiel vor allem die durchweg saubere Verarbeitung der Naturfaserverbundstoffe auf: Echte Bootsbaukunst und alles andere als Massenware!
Was wiederum kein Wunder ist. Denn Meister Friedrich kniet sich persönlich in und auf jede „Green Bente“ und benötigt für den Bau des Bootes mindestens doppelt so lange wie die Bootsbauer für den Aufbau einer klassischen Bente. Entsprechend kann es schon mal dauern, bis in der wie erwähnt florierenden Bente-Produktionskette einmal ein Slot für die Green-Version frei wird.
Im Einzelnen haben vor allem die fast schon klassisch anmutende Pinne, die pfiffig gelöste und gefällig verarbeitete Fußstütze fürs „Ausreiten“ auf der hohen Kante, die Gennakerbaum-Aufnahme, der sauber gearbeitete Ankerkasten-Deckel und sowieso das gesamte Korkdeck gefallen. Lediglich die nicht im Deck versenkte Rollfockanlage lässt ein bisschen stutzen: So ein Boot mit gesamt-edlen Ambitionen „verschenkt“ einen derart offensichtlichen Performance-Aspekt?
Unter Deck ist dann wieder alles Geschmackssache. Von der unbestritten weiterhin hervorragenden Verarbeitungsqualität mal abgesehen, hat natürlich jeder Skipper freie Gestaltungshand. Den Besitzern der grünen Probesegel-Bente gefiel ganz offensichtlich der raumgewinnende Zen-Stil: kein Schnickschnack, kein Luxus, kein Gedöns. Dem Autor dieser Zeilen gefällt’s ebenfalls; oder wann hat man schon mal das Gefühl, dass man unter Deck eines 7,50 Meter kurzen Bootes durchaus die paar Wochen für eine Atlantiküberquerung alleine oder zu Zweit ohne Klaustrophobie-Koller überleben könnte?
Geht gut ab
Bevor wir endlich zur eigentlichen Bestimmung dieses 7,50 Meter langen, bootsbauerischen Meisterwerks kommen – nämlich dem Skipper und der Crew Freude spenden bei der Fortbewegung unter Segeln – noch schnell ein Blick in die Runde: Totenflaute!
Was auf dem Bodensee nun wirklich nicht gerade eine Besonderheit, aber immer wieder ärgerlich ist, tut Friedrich mit einem Achselzucken ab. Der neue Besitzer dieser Green Bente sei eben Binnensegler und habe deshalb sein Boot mit einem Selden-Binnenrigg ausgestattet. Soll heißen: Der Mast ist 1,5 Meter länger als bei der Normalo-Küstenversion, damit zwei Quadratmeter mehr Segelfläche gefahren werden können. Also machen wir es wie (fast) alle Binnensegler und fahren erstmal dem Wind entgegen. Ein leiser Hauch kräuselt die Wasseroberfläche kurz nach der Hafenausfahrt Friedrichshafen und Friedrich holt schon selbstsicher den Torqeedo ein. Ob 0,5 Beaufort reichen werden, um uns ohne Motor bis zu dem Windstrich in einer (Boden)Seemeile Entfernung zu bringen?
Die Antwort gibt Green Bente gleich selbst: Das Groß lässt sich leichtgängig setzen, die Fock sowieso, dann kommt der Hauch logischerweise aus der Richtung, in die wir ja wollen. Also Segel gefühlvoll dicht geholt, etwas abgefallen und… man fühle, sehe und staune: die Bente geht los wie ein, ja wie eigentlich? Binnenracer wäre nun wirklich etwas übertrieben, Fahrtenschiff deutlich untertrieben. Also Cruiser Racer oder Perfomance Cruiser?
„Kommt wohl auf den Eigner an, wie er sein Boot sehen und segeln will,“ macht Friedrich deutlich. Was dem Probesegler im gleichen Moment, da die Frage auftaucht, auch schon wieder egal ist. Denn sobald der Wind in Groß und Vorsegel drückt, macht das Ganze hier nur noch das Eine: Spaß!
Leichte Damenbrise
Wir kommen locker zum angepeilten Windstrich, segeln bei 2-3 Beaufort entlang der schönen Bodenseeufer und machen drei Stunden lang mit der Green Bente so ziemlich alles, was man bei einer leichten Damenbrise eben so machen kann. Lange und kurze Schläge, bedächtige und hektische Manöver, wir setzen und bergen den Gennaker mehrmals, wir fahren raume, platte und hohe Kurse und freuen uns unseres Daseins.
Dabei zeigt sich die Bente als gelassen reagierender und dennoch sportlich-agiler Kleinkreuzer, mit dem man einerseits „Pferde stehlen kann“, weil er alles mitmacht und andererseits keine Scheu haben muss, gegen andere moderne Risse, die auf dem Bodensee oder anderswo den gleichen Weg haben, anzutreten. Wohlgemerkt: Testbedingungen drei Beaufort.
Vor allem unter Gennaker gefiel das rasche „Anspringen“, kaum nachdem die Blase stand und das schon bei den geringen Windstärken spürbare „Segeln wie auf Schienen“. Am Wind fuhren wir gefühlt exzellente Höhe, es wäre erneut hilfreich gewesen, Sparringspartner zu haben … aber irgendwie flüchteten die paar Segler, die mitten in der Woche den Bodensee bevölkerten, sobald wir in ihre Nähe steuerten.
Lediglich eine Situation muss als befremdlich beurteilt werden: Die „Green Bente“ schoss bei lächerlichen Drei-Beaufort-„Drückern“ hoch am Wind nach einer keineswegs abnormen Krängung von ca. 60 Grad (bei weiterhin dicht gehaltenem Groß) trotz „Gegenruder“ gnadenlos in den Wind. Ob dies nun an einem „suboptimalen Riggtrimm und dem zu langen Vorstag“ lag (wie Bente-Vordenker Stephan Boden meint) oder an einer in Bezug auf die Rigghöhe, Heckbreite und Segelfläche nicht optimal dimensionierten Ruderfläche, sei dahingestellt. Auch auf Friedrichs Stirn waren nachdenkliche Falten auszumachen – man versprach Abhilfe.
Bente gut, alles gut
Es liegt nach Lektüre der obigen Zeilen nahe, dass an dieser Stelle nur Positives über die Green Bente zu lesen sein wird. Die unkonventionellen und durchaus zukunftsweisenden Baumaterialien, der sowieso schon gefeierte und erprobte Riss, die guten Segeleigenschaften (selbst erprobt bei leichten Winden, von anderen Seglern bei stärkeren Winden bestätigt) machen aus der Green Bente den Primus unter… allen Bentes. Oder anders formuliert: alle Normalo-Bente-Segler müssen jetzt ganz tapfer sein, aber bei der „Spieglein, Spieglein“-Frage wird die Antwort lauten „die Green Bente ist die schönste, schärfste und coolste im ganzen Land!“
Preis
Basis-Version: 68.000 Euro, wie gesegelt mit allen Extras: 132.000 Euro.
Details
Länge | 7,55 m | |
Breite | 2,75 m | |
Tiefgang: | 1,8-1 m oder 1,45-0,65 m | |
Masthöhe: | 12 m | |
Segelfläche: | Groß 27qm | |
Fock: | 14 qm | |
Gennaker: | 65 qm | |
Baumaterial: | Flachs, Kork, Green Epoxidharz | |
Bauweise: | Vakuuminfusion |
Die Green Bente wird auf Wunsch mit einem hervorragend funktionierenden Hubkiel ausgestattet.
3 Kommentare
Ich würde mir wünschen,dass bei Euren Berichten der Basis- und Testbootpreis genannt werden.
Erst dies erlaubt dem interessierten Leser oder künftigen Käufer eine objektive Beurteilung der z.B. beschriebenen Segelleistung.
Danke für den Hinweis. Üblicherweise nennen wir immer beide Zahlen, den Basispreis und den des gefahrenen Bootes. Den Preis der gesegelten Bente reichen wir nach.
Wir haben die Green Bente am Wochenende auf der Messe gesehen. Das Konzept ist lobenswert, die Optik herausragend aber der Preis schon heftig. Man sagte mir auf am Stand, es sei wie ein Bio Huhn im Supermarkt. Bestimmt findet es Käufer und das ausgestellte Boot ist ja schon verkauft.